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Bereits in niedrigen Dosen

Lachgas kann offenbar bei schweren Depressionen helfen

Lachgas Depressionen: Einer Patientin wird eine Atemmaske zur Inhalation im OP-Saal auf das Gesicht gehalten
Lachgas wird schon seit langer Zeit als Narkosemittel verwendet, als Antidepressivum ist es bislang eher unbekannt Foto: dpa picture alliance
Christian Glass

06.08.2021, 05:33 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Lachgas hilft gegen Schmerzen. Neben der medizinischen Verwendung wird Distickstoffmonoxid auch in der Industrie eingesetzt. Mit dem Gas schlägt man in der Küche Sahne oder Soßen auf. Forscher der Uniklinik Chicago verweisen auf die lindernde Wirkung bei schweren Depressionen.

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Lachgas wird schon lange als Narkosemittel verwendet; in der Küche findet es Anwendung in z.B. Sahnespendern, deren Patronen mit Lachgas gefüllt sind. So mancher kennt das süßliche Gas auch als Partydroge. Vor allem in Frankreich scheint der Konsum weit verbreitet zu sein. So sollen die Kartuschen, die das Gas enthalten, in verschiedenen Müllverbrennungsanlagen mittlerweile zu Explosionen führen. Darüber berichtet aktuell eine französische Tageszeitung.1 Kein Partygag, sondern ein ernstes Thema: Forscher fanden heraus, dass Lachgas auch bei schweren Depressionen helfen kann.

Lachgas hilft womöglich bei Depressionen

Bei manchen Menschen ist es nur eine depressive Episode, andere leiden jahrelang unter schweren Depressionen. Diese richtig zu behandeln, kann mitunter sehr schwer werden. Bei rund einem Drittel der Patienten ist der Erkrankung kaum beizukommen. Bei ihnen besteht das Risiko einer Therapieresistenz. Schlägt keine Behandlung mehr an, wird die Erkrankung unter Fachkreisen als „behandlungsresistente Major Depression“ bezeichnet.

Prof. Dr. Peter Nagele, Anästhesie-Chef der Universitätsklinik in Chicago, hat in einer ersten Pilotstudie schon vor einiger Zeit untersucht, inwieweit Lachgas bei solch einer therapieresistenten, schweren Depression hilft. Gemeinsam mit einem Forscherteam von der University of Chicago (USA) untersuchte er nun in einer nun veröffentlichten Phase-II-Studie, ab welcher Dosierung Lachgas bei einer Depression Wirkung zeigt.2

Zudem wollten die Forschenden wissen, wie lange die antidepressive Wirkung anhält. Dass Lachgas in höherer Konzentration einen antidepressiven Effekt hat, war schon länger bekannt. Allerdings zeigten sich dabei auch vermehrt unerwünschte Nebenwirkungen. Ob das Gas auch in niedriger Dosierung hilft, stand noch zur Frage.

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Auch in kleinerer Konzentration hilft Lachgas gegen Depressionen

Und das scheint tatsächlich der Fall zu sein, wie die Studie zeigt. Lachgas hat demnach auch in geringerer Konzentration eine antidepressive Wirkung. Gleichzeitig zeigten sich weniger Nebenwirkungen. Um das herauszufinden, luden die Forscher 24 Probanden zur Studie ein. Diese galten als austherapiert; deren depressiver Erkrankung war also nicht mehr medikamentös beizukommen.

Im monatlichen Abstand inhalierten die Patienten ein Gasgemisch – und das jeweils eine Stunde lang. Die Mischung enthielt entweder je zur Hälfte Sauerstoff und Lachgas, bei einer anderen Sitzung betrug der Anteil von Lachgas nur 25 Prozent. Schließlich wurde nur Sauerstoff zum Inhalieren gegeben, sozusagen ein Placebo.

22 Probanden nahmen an der Studie bis zuletzt teil. Bei 40 Prozent von ihnen zeigten sich anschließend gar keine depressiven Symptome mehr. Die restlichen Teilnehmer konnten zumindest eine Stufe herunter klassifiziert werden, zum Beispiel von „schwerer“ zu „moderater“ Depression.

Was ist Lachgas eigentlich?

Lachgas (Distickstoffmonoxid) ist ein farbloses, nicht brennbares, dafür aber schwach süßlich riechendes Gas, das häufig als Narkosemittel eingesetzt wird. Lachgas entspannt nur wenig die Muskeln und wirkt auch nur bedingt als Narkotikum. Das Gas wirkt jedoch stark schmerzlindernd. Weil es im Blut kaum lösbar ist, zeigt es seine Wirkung sehr rasch. Das wiederum macht Lachgas gut steuerbar. Obwohl Distickstoffmonoxid schon seit über 200 Jahren in der Medizin eingesetzt wird, ist der eigentliche Wirkmechanismus noch immer nicht genau bekannt.

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Auch Ketamin kann bei Depressionen helfen

Ein weiteres Narkosemittel, das ursprünglich in der Tiermedizin verwendet wurde, hat seinen Weg in die Partyszene gefunden: Ketamin. Stark schmerzlindernd, kann es allerdings in zu hoher Konzentration zu Bewusstlosigkeit führen. Allerdings lindert Ketamin, ähnlich wie Lachgas, unter einer kontrollierten Gabe mitunter auch Depressionen. Der Vorteil gegenüber herkömmlichen Antidepressiva: Lachgas und Ketamin wirken schneller. Eine Betäubung unter Lachgas lässt dabei zügiger nach als unter Ketamin. Zu beiden Stoffen empfehlen die Wissenschaftler, weitere Studien einzuleiten.

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Quellen

1. Par Agnès Vives. «Toute la France est concernée» : les bonbonnes de gaz hilarant font dérailler les usines d’incinération des déchets. Le Parisien (2021)

2. Lachgas. Lexikon der Neurowissenschaft (Spektrum der Wissenschaft. (2000, aufgerufen am 5.8.2021)

Themen Depression
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