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Immunität gegen SARS-CoV-2

Russland lässt weltweit ersten Corona-Impfstoff zu

Corona-Impfstoff
Wie gefährlich ist Wladimir Putins Schritt, den weltweit ersten Corona-Impfstoff in Russland ohne entscheidende Phase-3-Studie zuzulassen? Foto: Getty Images
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FITBOOK Redaktion

11.08.2020, 18:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Russlands Präsident Wladimir Putin verkündet die Zulassung des weltweit ersten Impfstoffs gegen das Coronavirus. Seiner eigenen Tochter sei das Präparat schon verabreicht worden. Mehrere Experten warnen vor der vorschnellen Markteinführung und Massenimpfungen ohne eine erfolgreiche Phase-3-Studie.

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Der Corona-Impfstoff, der vom Moskauer Gamaleja-Institut entwickelt wurde und erst seit weniger als zwei Monaten an Menschen in Russland getestet wird, sei sicher und schon einer seiner Töchter verabreicht worden, sagte der Präsident Wladimir Putin am Dienstag bei einem Regierungstreffen, das im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde. „Ich weiß, dass er sehr wirksam ist und eine hohe Immunität erzeugt, und ich wiederhole, er hat alle erforderlichen Prüfungen bestanden.“ Der russische Mischkonzern Sistema hat erklärt, die Massenproduktion beginne bis Jahresende.

Die Regierung in Moskau bezeichnete die Zulassung als Beweis der besonderen wissenschaftlichen Expertise Russlands. Putin hofft, bald mit Massenimpfungen starten zu können, während die entscheidende klinische Studie über die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs läuft. Der Impfstoff solle im Ausland unter dem Namen „Sputnik V“ vermarktet werden, sagte der Leiter des russischen Staatsfonds, Kirill Dmitriew, und sprach von einem historischen „Sputnik-Moment“ – eine Referenz an den ersten Satelliten im Weltraum. Die damalige Sowjetunion demonstrierte damit ihren Vorsprung vor den USA im Wettlauf um die Vorherrschaft im All.

Impfstoff-Einführung: Prestige vor Sicherheit?

Die Geschwindigkeit, mit der Russland den Corona-Impfstoff einführt, unterstreicht Putins Entschlossenheit, das weltweite Rennen um einen Impfstoff zu gewinnen. Experten äußerten sich besorgt, dass die Regierung Prestige vor fundierte Wissenschaft und Sicherheit stellen könnte. Aufsichtsbehörden auf der ganzen Welt haben darauf bestanden, dass die Geschwindigkeit bei der Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs die Sicherheit nicht beeinträchtigt. Jüngste Umfragen zeigen jedoch ein wachsendes Misstrauen in der Öffentlichkeit gegenüber den Bemühungen einer schnellen Herstellung.

Der Verband zur Organisation klinischer Studien in Russland (ACTO), der internationale Pharmafirmen vertritt, hatte das Gesundheitsministerium aufgefordert, die Zulassung des Impfstoffs zu verschieben, bis die finale klinische Wirksamkeitsstudie erfolgreich abgeschlossen ist. Eine vorherige Zulassung sei mit hohen Risiken verbunden. Die Genehmigung des Impfstoffs durch das russische Gesundheitsministerium erfolgte vor dieser entscheidenden Studie, an der üblicherweise Tausende Teilnehmer beteiligt sind. Eine erfolgreiche Phase-3-Studie wird normalerweise als wesentliche Voraussetzung für eine behördliche Zulassung angesehen.

„Es wundert mich, wie schnell es geht“, sagte der Infektiologe Peter Kremsner von der Universität Tübingen, der dort gegenwärtig den Corona-Impfstoff der deutschen Biotechfirma Curevac testet. Aber gegenwärtig gehe es auf der ganzen Welt schnell. „Normalerweise braucht man schon eine große Anzahl von Menschen, die getestet werden, bevor man einen Impfstoff zulässt. Insofern halt ich das für verwegen, das zu machen, wenn nicht schon viele mit dem Impfstoff untersucht wurden.“ Aber das wisse er nicht, womöglich seien in Russland schon Tausende geimpft worden.

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Russlands Corona-Impfstoff: „Rücksichtslose und dumme Entscheidung“

Die Pharmaexpertin Ayfer Ali von der britischen Warwick Business School sprach von einem Experiment mit der russischen Bevölkerung. Francois Balloux vom Genetik-Institut des University College London nannte die Zulassung eine „rücksichtslose und dumme Entscheidung“. Er sagte: „Eine Massenimpfung mit einem nicht ordnungsgemäß getesteten Impfstoff ist unethisch.“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte, man stehe in engem Kontakt mit den russischen Gesundheitsbehörden über einen möglichen „Präqualifizierungsprozess“ für den Corona-Impfstoff, für den eine strenge Überprüfung erforderlich sei. Positiv äußerte sich die Regierung der Philippinen: Man habe „großes Vertrauen“ in den Impfstoff und nehme das Angebot von Russland an, diesen an den Inselstaat zu liefern, sagte Präsident Rodrigo Duterte. Die Philippinen würden sich zudem mit Freiwilligen an klinischen Studien beteiligen. „Ich kann der erste sein, an dem sie experimentieren können“, bot Duterte an. Die Philippinen gehören zu den Ländern mit den höchsten Fallzahlen in Asien.

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Themen Coronavirus
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