6. August 2024, 13:04 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Ein plötzlicher Moment teilt den Tag in ein „Davor“ und „Danach“. Ein Autounfall, eine Ohnmacht oder starke Brustschmerzen – Fälle für den Notruf 112. Doch manchmal zögert man, die Nummer zu wählen. Generell gilt: lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Aber: Die Leitung für Notfälle sollte man auch nicht unnötig blockieren. Ein Notfallmediziner sagt, in welchen Fällen man den Rettungsdienst-Notruf alarmieren sollte – und in welchen nicht.
Der Name verrät es: Die Notaufnahme in der Klinik ist für Notfälle gedacht. Doch wo fängt so ein medizinischer Notfall an – und was ist keiner? „Wenn es sich um eine plötzlich aufgetretene, lebensbedrohliche Situation handelt, die keinen Aufschub erlaubt, sondern die Hilfe sofort kommen muss“, erklärt Martin Massmann einen klaren Fall für den Rettungsdienst-Notruf 112. Massmann ist Oberarzt in der Zentralen Notaufnahme der Schön Klinik Neustadt (Schleswig-Holstein). Die Leitstelle kann einen Rettungswagen schicken, der einen in die Notaufnahme bringt. Doch wie ernst ist der eigene Gesundheitszustand nun, wie schnell braucht es Hilfe? FITBOOK gibt einen Überblick, der bei der Einschätzung hilft, ob man die 112 wählen sollte – oder nicht.
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Übersicht
- Medizinische Notfälle, bei denen man die 112 anrufen sollte
- 112 gewählt – das fragen die Mitarbeiter der Rettungsstelle
- Ich bin mir nicht sicher, ob die Lage lebensbedrohlich ist – was tun?
- Wann man die 112 nicht wählen sollte
- 116117 – wann den ärztlichen Bereitschaftsdienst anrufen?
- Rettungswagen auf dem Weg – was kann ich unterstützend tun?
- Quellen
Medizinische Notfälle, bei denen man die 112 anrufen sollte
Wenn jemand Atemnot hat
Ein Anzeichen für eine möglicherweise lebensbedrohliche Situation ist laut Massmann Atemnot. Denn sie kann auf verschiedene ernste Erkrankungen hindeuten, etwa auf eine Lungenembolie, eine allergische Reaktion oder einen Herzinfarkt. Bei Letzterem kommen oft Schmerzen in der Brust oder im Rücken zwischen den Schulterblättern dazu.
Starke Brustschmerzen oder Herzbeschwerden
Auch starke Brustschmerzen oder Herzbeschwerden sind ein Fall für die Notaufnahme, weil sie auf einen Herzinfarkt hindeuten können. Ebenso Atemnot, hinter der zum Beispiel eine Lungenembolie oder eine schwere allergische Reaktion stecken können.
Sprachschwierigkeiten und Lähmungen
Ein Schlaganfall ist ebenfalls ein Notfall. Auf ihn deuten eine verwaschene Sprache oder einseitige Lähmungen von Arm, Bein oder Gesicht hin. Treffen kann es auch Jüngere. Zehn bis 15 Prozent der Schlaganfälle kommen laut der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft bei Menschen vor, die jünger als 55 Jahre sind.1
Knochenbrüche und starke Blutungen
Das kann auch für einen Unfall gelten. Denn mögliche Knochenbrüche gehören in die Notaufnahme. Ebenso sind starke Blutungen, die sich nicht stillen lassen, ein Fall für die 112. Ganz besonders dann, wenn die Person gerinnungshemmende Medikamente einnimmt. Bei einem Erwachsenen kann ein Blutverlust von einem Liter lebensbedrohlich sein.
Wenn jemand ohnmächtig oder bewusstlos ist
Bewusstlosigkeit kann ebenso ein Anzeichen für einen Schlaganfall sein. Aber auch für andere ernsthafte Erkrankungen wie einen Herz-Kreislauf-Stillstand, einen Krampfanfall oder eine Vergiftung – ebenfalls Situationen, in denen es schnelle Hilfe braucht.
Anhaltend stärkste Schmerzen
Wer anhaltende stärkste Schmerzen erlebt, wendet sich laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ebenfalls an die Notaufnahme. Ursache für enorm starke Bauchschmerzen etwa kann eine Blinddarmentzündung sein, die unbehandelt zu lebensbedrohlichen Kreislaufstörungen führen kann.
Stromunfälle
Ärztliche Hilfe ist auch nach Stromunfällen gefragt, selbst dann, wenn es einem nach einem Stromschlag erst mal gut geht. Auch Stunden später kann es noch zu einem Herzstillstand kommen. Die Schön Klinik rät daher, keine Zeit zu verlieren, wenn nach einem Stromunfall Herzstolpern, Atemnot oder ein Krampfgefühl auftreten.
Schwere Verbrennungen, Krampfanfälle, allergischer Schock
Überdies sind schwere Verbrennungen und Verbrühungen sowie Krampfanfälle Fälle für den Rettungsdienst-Notruf 112. Welche Erste-Hilfe-Maßnahmen man bei Verbrennungen einleiten kann, lesen Sie hier. Auch ein anaphylaktischer Schock ist eine lebensbedrohliche allergische Reaktion des Körpers und gilt als medizinischer Notfall.
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112 gewählt – das fragen die Mitarbeiter der Rettungsstelle
Die Gesprächsführung sollte man dem Disponenten in der Leitstelle überlassen. Wird man am Telefon unterbrochen, sollte man das nicht persönlich nehmen. Diese Fragen werden gestellt:
- Was ist passiert?
- Wo ist es passiert?
- Wann ist es passiert?
- Wie viele Menschen sind verletzt?
- Wer ruft an?
Danach sollte man auf mögliche Rückfragen warten und nicht einfach auflegen!
Sofern der gesundheitliche Zustand es zulässt, kann man sich auch selbst in die Notaufnahme begeben oder bringen lassen.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Lage lebensbedrohlich ist – was tun?
Wenn das Herz wie wild klopft oder man unter Schock steht, kann man die Lage womöglich nicht mit kühlem Kopf beurteilen. Das weiß auch der Notfallmediziner. „Man kann natürlich von den Patienten in der Lage nur schwerlich verlangen, dass sie einschätzen können: Ist das lebensbedrohlich oder nicht?“ Deshalb gilt: Wer sich unsicher ist, wählt besser den Notruf. Gleiches gilt bei Verdacht auf schwere Verletzungen. „Lieber einmal häufiger als einmal zu wenig“, sagt Massmann. Denn die Fachleute in der Leitstelle folgen im Telefonat einem Fragebogen, der auf eine schnelle Einschätzung der Situation ausgelegt ist. Und sie entscheiden dann, was am besten zu tun ist – ob etwa ein Rettungswagen mit Notarzt losgeschickt wird.
Wann man die 112 nicht wählen sollte
„Wenn man einen fieberhaften Infekt, eine starke Erkältung oder einen Magen-Darm-Infekt hat, sind das keine Situationen für den Notruf“, sagt Notfallmediziner Massmann. Denn die Kapazitäten der Einsatzkräfte sind begrenzt. „Das Problem: Man besetzt sozusagen sowohl den Disponenten in der Leitstelle als auch den Rettungswagen.“ Mit der Folge, dass jemand, bei dem es wirklich ernst ist, möglicherweise länger auf Hilfe warten muss.
116117 – wann den ärztlichen Bereitschaftsdienst anrufen?
Aber auch bei einem Infekt kann man nicht immer abwarten, bis am nächsten Morgen oder am Montag die Arztpraxis ihre Türen wieder öffnet. Dann ist allerdings eine andere Telefonnummer die bessere Wahl: 116117. Hinter dem Angebot steht die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Wählt man die 116117, erreicht man rund um die Uhr den ärztlichen Bereitschaftsdienst, der Rat geben kann, was bei den entsprechenden Beschwerden am besten zu tun ist. Und zum Beispiel Bereitschaftspraxen vorschlägt, die man aufsuchen kann. Bei Bedarf kommt eine Ärztin oder ein Arzt auch zu Hause vorbei.
Auf der Webseite gibt es auch ein Patienten-Navi, das gesundheitliche Beschwerden online abfragt. Am Ende steht ein Rat, wie man nun am besten weiter vorgeht.2
Telefonnumer 116117 Wann und wobei der ärztliche Bereitschaftsdienst helfen kann
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Rettungswagen auf dem Weg – was kann ich unterstützend tun?
Macht sich ein Rettungswagen auf den Weg zur verletzten Person, sollte jemand die Rettungskräfte in Empfang nehmen, zum Beispiel an der Straße. „Schlecht ist, wenn der Rettungswagen kommt, aber den Einsatzort nicht finden kann“, sagt Martin Massmann. Denn dann gehen wertvolle Minuten verloren.
Sind die Rettungskräfte da, gilt: „Es ist wenig geholfen, wenn jemand dazwischenfunkt“, sagt Massmann. Etwa durch Worte oder auch, wenn man durch den Arbeitsbereich der Notfallsanitäterinnen und -sanitäter läuft. Angehörige halten sich am besten zurück und antworten erst mal nur auf die Fragen, die die Rettungskräfte stellen.
Und wenn es ins Krankenhaus geht? „Natürlich ist es wichtig, dass die Patienten fürs Krankenhaus etwas zum Anziehen mitbekommen“, sagt Martin Massmann. „Aber noch wichtiger ist ein Medikamentenplan, eventuell Arztbriefe oder auch eine Patientenverfügung, falls vorhanden. Und was man auch braucht: eine Telefonnummer von Angehörigen.“