30. Juni 2025, 4:48 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Von außen wirkt sie oft harmlos, doch für Betroffene ist sie oft mehr als nur ein optisches Problem: Die Trichterbrust zählt zu den häufigsten angeborenen Deformitäten des Brustkorbs. FITBOOK erklärt, was dahintersteckt – und wann eine Behandlung notwendig ist.
Bei der Trichterbrust (Pectus Excavatum) handelt es sich um eine angeborene Fehlbildung des Brustbeins. Es ist nach innen eingedellt, wodurch der vordere Brustkorb die Form eines Trichters annimmt.1 Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen, die Verteilung liegt etwa bei vier zu eins.2
Jetzt dem FITBOOK-Kanal bei Whatsapp folgen!
Übersicht
Wann zeigt sich die Fehlbildung?
In der Regel fällt die Trichterbrust erstmals im Kindesalter auf. Mit dem Wachstum, insbesondere während der Pubertät, kann sich die Einziehung verstärken. In leichter Ausprägung verursacht sie oft keine Beschwerden. Doch je stärker die Verformung, desto eher kann sie nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern auch die Funktion von Herz und Lunge beeinträchtigen.3
Wie entsteht eine Trichterbrust?
Verursacht wird die Trichterbrust durch eine Störung im Wachstumsverhalten der Knochen und Rippenknorpel im Bereich des Brustkorbs. Dabei wächst insbesondere der Rippenknorpel unkontrolliert, was dazu führt, dass sich das Brustbein entweder nach innen – zur Trichterbrust – oder nach außen – zur Kielbrust – wölbt.
Auch bestimmte Grunderkrankungen können die Entstehung einer Trichterbrust begünstigen. Dazu zählen Skoliose, das Marfan-Syndrom oder das Poland-Syndrom.
- Beim Poland-Syndrom ist auf einer Körperseite die Brustmuskulatur sowie die Brustdrüse unterentwickelt, was eine asymmetrische Brustform zur Folge hat. In diesem Zusammenhang tritt häufig auch eine Trichterbrust auf.
- Das Marfan-Syndrom ist eine angeborene Bindegewebserkrankung. Betroffene zeigen neben einem eingesunkenen Brustkorb oft überlange Gliedmaßen, überbewegliche Gelenke, Herzklappenfehler sowie Augenprobleme.
- Skoliose beschreibt eine seitliche, s-förmige Verkrümmung der Wirbelsäule, die zu einer Einsenkung des Brustkorbs führen kann.4
Auch interessant: Das hilft Jugendlichen bei Hautproblemen in der Pubertät
Mögliche Symptome – körperlich und psychisch
Die Symptome sind individuell sehr unterschiedlich und hängen vor allem von der Ausprägung der Brustverformung ab. Zu den häufigsten körperlichen Beschwerden zählen:
- Eingeschränkte Belastbarkeit
- Kurzatmigkeit bei körperlicher Anstrengung
- Herzrhythmusstörungen oder Herzklopfen
- Brustschmerzen, besonders bei tiefer Einziehung
Psychisch
Auch die psychische Belastung spielt eine große Rolle: Viele fühlen sich durch die sichtbare Deformität in ihrem Selbstwertgefühl beeinträchtigt. Dadurch können typische Alltagsorte, wie Schwimmbäder oder öffentliche Umkleiden zu einer großen mentalen Anstrengung werden. Manche ziehen sich aus Scham sogar ganz aus sozialen Situationen zurück – sie meiden sportliche Aktivitäten, Gruppen oder Umkleidesituationen. Bei Jugendlichen kann das in manchen Fällen zu sozialem Rückzug oder sogar depressiven Verstimmungen führen. Besonders in einer Zeit, in der Körperideale in sozialen Medien allgegenwärtig sind, empfinden viele Betroffene ihren Brustkorb als Makel, unabhängig von tatsächlichen funktionellen Einschränkungen.5
So wird die Erkrankung diagnostiziert
Bei Verdacht auf eine Trichterbrust sollte zunächst eine kinderärztliche Praxis aufgesucht werden. Dort wird die Krankengeschichte aufgenommen, Symptome werden erfasst und die Deformität durch Fotos aus verschiedenen Blickwinkeln dokumentiert.
Zur weiteren Abklärung, ob innere Organe betroffen sind, folgen bildgebende und funktionelle Untersuchungen:
- Eine MRT des Brustkorbs liefert den Haller-Index, der das Verhältnis zwischen Quer- und Längsdurchmesser des Brustkorbs angibt. Werte bis drei gelten als unauffällig.
- Ein Herz-Ultraschall prüft mögliche Beeinträchtigungen des Herzens. Ergänzend können EKG, Blutdruck- und Herzfrequenzmessung sowie eine Blutgasanalyse erfolgen.
- Auch die Lungenfunktion wird untersucht – bei Bedarf zusätzlich unter Belastung mittels Spiroergometrie.
Behandlungsmöglichkeiten
Nicht jede Trichterbrust muss operiert werden. Entscheidend ist, ob sie funktionelle Einschränkungen oder einen erheblichen Leidensdruck verursacht.
Krankengymnastik
Gerade in der Wachstumsphase, also vor allem während der Pubertät, kann gezieltes körperliches Training helfen, die Trichterbrust sowie begleitende Haltungsprobleme positiv zu beeinflussen. Entscheidend ist dabei: Regelmäßigkeit. Zwei kurze Trainingseinheiten pro Tag (jeweils etwa 10 Minuten morgens und abends) können bereits viel bewirken.
Saugglockenbehandlung
Was klingt wie ein skurriles Requisit, ist in Wahrheit aber eine anerkannte Methode zur Behandlung der Trichterbrust. Man setzt eine flexible Glocke aus orthopädischem Silikon auf die Einsenkung und erzeugt mit einem Gummiball Unterdruck.
Bei täglicher Anwendung, etwa ein bis drei Stunden, kann sich die Form des Brustkorbs allmählich verbessern. Besonders in den ersten drei Monaten zeigt sich eine sichtbare Verbesserung. Danach verlangsamt sich der Fortschritt, bleibt bei konsequenter Nutzung aber stabil. Meist erstreckt sich die Behandlung über einen Zeitraum von rund zwei Jahren.
Operation
Wenn die Trichterbrust stark ausgeprägt ist oder Beschwerden verursacht, kann ein operativer Eingriff helfen. In der Praxis haben sich zwei Verfahren durchgesetzt: Die häufig eingesetzte „Nuss-Methode“ ist ein minimalinvasiver Eingriff, bei dem ein Metallbügel unter das Brustbein geschoben wird. Dieser hebt die Brustwand an und bleibt für etwa zwei bis drei Jahre im Körper, bevor er in einem zweiten Eingriff entfernt wird.
Bei komplizierten oder asymmetrischen Fehlstellungen setzen Ärzte häufiger die „Ravitch-Technik“ ein. Dabei öffnen sie den Brustkorb operativ, entfernen knorpelige Anteile und richten das Brustbein stabil neu aus.
Beide Verfahren gelten heute als sicher und erzielen in der Regel gute funktionelle wie auch ästhetische Ergebnisse. Nach der Operation folgen mehrere Wochen Schonung und eine gezielte physiotherapeutische Nachsorge, bis der Brustkorb wieder vollständig belastbar ist.
Die Krankenkasse übernimmt die Kosten in der Regel, wenn der Schweregrad der Deformität zu einer nachweisbaren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung führt.

Was Sie über Skoliose wissen sollten

Anzeichen, die schon bei Babys auf das Prader-Willi-Syndrom hindeuten

Angelman-Syndrom – Ursachen, Symptome und Verlauf
Fazit: Kein Grund zur Scham – aber ernst nehmen!
Die Trichterbrust ist mehr als eine optische Besonderheit. Bei manchen Betroffenen bleibt sie ein rein kosmetisches Merkmal, bei anderen kann sie körperliche und seelische Beschwerden hervorrufen. Wichtig ist eine frühzeitige Abklärung durch Fachärzte – und der Mut, über mögliche Einschränkungen zu sprechen. Denn moderne Therapiemethoden bieten heute viele Möglichkeiten, die Lebensqualität deutlich zu verbessern.