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Auch bei 150 Minuten Sport pro Woche

Sitzen ist ein eigenständiger, signifikanter Risikofaktor für Alzheimer

Laut Studie begünstigt Sitzen Alzheimer
Langes Sitzen kann laut einer Studie maßgeblich zur Entstehung der Alzheimer-Krankheit beitragen Foto: Getty Images

22. Mai 2025, 15:57 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Langes Sitzen kann bekanntermaßen negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Um diese bestmöglich zu kompensieren, sollte man sich bei anderer Gelegenheit ausreichend bewegen – eine einleuchtende Überlegung. Doch wenn es um das Risiko geht, an Alzheimer zu erkranken, hilft das offenbar kaum. So sind die Ergebnisse einer neuen Studie zu deuten. FITBOOK-Autorin Laura Pomer geht näher darauf ein.

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Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor für Alzheimer. Daneben können weitere Umstände und Lebensgewohnheiten die Erkrankung begünstigen, wie FITBOOK in diesem Beitrag ausführlicher erklärt. Dazu zählen unter anderem Rauchen, soziale Isolation, übermäßiger Alkoholkonsum und Bewegungsmangel. Doch was genau bedeutet Bewegungsmangel? Laut der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt er vor, wenn Personen weniger als 150 Minuten leicht anstrengender körperlicher Aktivität pro Woche nachgehen. Wie ist es also zu bewerten, wenn jemand berufsbedingt viele Stunden im Sitzen verbringt, aber daneben regelmäßig Sport treibt? Dem ist eine Studie nachgegangen – genauer der Frage, ob langes Sitzen ein potenziell veränderbarer Risikofaktor für die Entstehung von Alzheimer sein könnte.1

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Studie zur Bedeutung von Sitzen als Risikofaktor für Alzheimer

Langes Sitzen ist keine Wohltat für den Körper. Es steht im Verdacht, das Risiko für verschiedene chronische Krankheiten zu erhöhen, wie die Autoren anführen, darunter Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit ist jedoch noch nicht ausreichend geklärt. In einer Studie aus dem Jahr 2023, über die FITBOOK berichtete, wurde das Gefahrenpotenzial von Bewegungsmangel für Demenz gar scheinbar widerlegt.2 Umgekehrt wiederum konnten mehrere Studien einen positiven Effekt von Sport auf die Hirnfunktion belegen.3

Hinweise darauf, dass langes Sitzen einen kognitiven Verfall fördern kann, liegen jedenfalls vor. Laut den Forschern wird vermutet, dass dieser kulminierte Bewegungsmangel die Arbeit der Blutgefäße im Gehirn stört und Entzündungen begünstigt, was zu einer verringerten synaptischen Plastizität führt. Hierbei handele es sich um einen bedeutenden Mechanismus für die Lern- und Gedächtnisleistung. Angesichts dieser möglichen Verbindung könnte Bewegungsmangel für Träger des APOE-ε4-Gens, welches als genetischer Risikofaktor für Alzheimer inzwischen gut belegt ist, besonders kritisch sein.4 Ziel der Untersuchung war es, diesen Verdacht mit Daten zu untermauern.

Details zur Untersuchung

An der Untersuchung nahmen 404 freiwillige Erwachsene teil, die das 50. Lebensjahr überschritten hatten. Zu Beginn der Studie trugen sie eine Woche lang Aktivitätstracker, mithilfe derer die Forscher das durchschnittliche Bewegungsverhalten der Frauen und Männer ermittelten. Dabei ergab sich ein grundsätzlich positives Bild: Rund 87 Prozent der Studienteilnehmer erreichten mit 150 Minuten pro Woche das von der WHO empfohlene Mindestmaß an Bewegung.

In den darauffolgenden rund sieben Jahren führten die Forscher in regelmäßigen Abständen Denkleistungstests mit den Teilnehmern durch. Daneben unterzogen sie die Probanden bildgebenden Untersuchungen, um die Gesundheit ihrer Gehirne anhand von Scans beurteilen zu können.

Beobachtungen

Die Auswertung zeigte, dass Probanden, die insgesamt viel Zeit im Sitzen verbrachten – auch wenn sie sich ansonsten verhältnismäßig viel bewegten –, schlechtere kognitive Leistungen erzielten. Besonders ausgeprägt waren die Veränderungen bei Probanden, die das bereits erwähnte APOE-ε4-Gen in sich trugen. Darüber hinaus zeigten die Hirn-Scans sogar Anzeichen von Neurodegeneration auf, etwa Verkleinerungen im Bereich des Hippocampus (Fachbegriff: Hippocampusatrophie). Dieses Gebiet im Gehirn ist für die Gedächtnisfunktion entscheidend und im Fall einer Alzheimer-Erkrankung als eines der ersten von Schäden betroffen.

Mögliche Bedeutung der Studie

„Die Studie unterstreicht die Bedeutung davon, die Zeit im Sitzen zu reduzieren“, erklärt Angela Jefferson, Co-Autorin der Studie, in einer Pressemitteilung.5 Dies betreffe insbesondere ältere Erwachsene mit einem erhöhten genetischen Risiko für die Alzheimer-Krankheit. Für die Gesundheit des Gehirns ist es demnach entscheidend, im Tagesverlauf immer wieder Bewegungspausen vom Sitzen einzulegen. Ab wie vielen Stunden sitzender Tätigkeit genau diese besonders kritisch zu werten sind, geht aus der Veröffentlichung nicht hervor.

Auch einige weitere Fragen bleiben offen. Etwa äußern sich die Forscher nicht dazu, ob günstige Verhaltensänderungen etwaige durch das Sitzen bereits entstandene Probleme womöglich beheben können. Interessant wäre auch zu wissen, ob sich eine Aufnahme intensiverer Sportarten – verglichen etwa mit moderater Bewegung – mehr als „Gegenmittel“ eignen würde, um den negativen Einfluss sitzender Tätigkeiten effektiver auszugleichen. FITBOOK hat sich an die Autoren gewandt und erwartet mit Spannung eine Rückmeldung.

Einschränkungen

Es muss auf Einschränkungen hingewiesen werden. Mit nur 404 Teilnehmern war die Studie recht klein. Auch weisen die Autoren darauf hin, dass die Probanden nicht ethnisch divers waren und außerdem der Großteil von ihnen über eine gute Bildung verfügte. Dies schränkt die Übertragbarkeit der Ergebnisse ein. Dies gilt auch für das ermittelte verhältnismäßig hohe durchschnittliche Maß an Bewegung. Die Untersuchungsmethodik selbst weist gewisse Schwächen auf, unter anderem, weil die Aktivitätstracker nur in einer einzigen Stichprobenwoche zum Einsatz kamen. Bei der Bewertung fand der Einfluss anderer Risikofaktoren auf das Alzheimer-Risiko keine Berücksichtigung.

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Fazit

Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass langes Sitzen ein eigenständiger Risikofaktor für Alzheimer darstellt – selbst dann, wenn die empfohlene Dauer an körperlicher Aktivität pro Woche erreicht wird. Besonders Menschen mit genetischer Vorbelastung sollten demnach gezielt darauf achten, lange Sitzzeiten im Alltag zu unterbrechen. Während weitere Forschung notwendig ist, um die genauen Mechanismen und Schwellenwerte zu bestimmen, liefert die Untersuchung wichtige Hinweise für Präventionsstrategien im höheren Lebensalter.

Themen Alzheimer

Quellen

  1. Gogniat. M., Khan, O., Li, J. et al. (2025). Increased sedentary behavior is associated with neurodegeneration and worse cognition in older adults over a 7-year period despite high levels of physical activity. Alzheimer‘s & Dementia. ↩︎
  2. Anatürk, M., Patel, R., Ebmeier, K. et al. (2023). Development and validation of a dementia risk score in the UK Biobank and Whitehall II cohorts. BMJ Mental Health. ↩︎
  3. Vivar C., Peterson B., Pinto A. et al. (2023). Running throughout Middle-Age Keeps Old Adult-Born Neurons Wired. eNeuro. ↩︎
  4. Alzheimer Forschung. Apolipoprotein ApoE4: Was das Risiko-Gen mit Alzheimer zu tun hat. (aufgerufen am 22.5.2025) ↩︎
  5. Vanderbilt University Medical Center. Study reveals sedentary behavior is an independent risk factor for Alzheimer’s disease (aufgerufen am 22.5.2025) ↩︎

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