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Verzerrtes Risiko

Warum Herz-Blutwerte nach einer schlechten Nacht täuschen können

Schlafmangel und Blutwerte
Qualitativ hochwertiger Schlaf ist für die Herzgesundheit von Bedeutung. Forschung zeigt: Schlafmangel kann die Interpretation von Blutwerten beeinflussen, was potenziell zu Fehldiagnosen führen könnte. Foto: Getty Images
Anna Echtermeyer
Redakteurin

26. Mai 2025, 16:29 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigt sich in bestimmten Blutwerten wie Cholesterin oder Blutzucker. Eine neue Studie liefert jedoch Hinweise dafür, dass die Laborwerte allein nicht verlässlich genug sein könnten – es kommt offenbar auf den Kontext an. Wer schlecht geschlafen oder kurz zuvor Sport gemacht hat, könnte Werte haben, die sein echtes Risiko verzerren. Unter welchen Vorzeichen man Blutwerte analysieren lassen sollte.

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Wer sich auf Blutwerte zur Beurteilung seines Herz-Kreislauf-Risikos verlässt, sollte aufhorchen: Eine neue Studie deutet darauf hin, dass schon kurzfristiger Schlafmangel, die Tageszeit der Blutentnahme und körperliche Aktivität die Ergebnisse entscheidend beeinflussen können. Damit stehen drei alltägliche Faktoren im Verdacht, zentrale Biomarker für Herzgesundheit zu verzerren – und potenziell Fehldiagnosen zu begünstigen. Besonders brisant: Schlafmangel allein erzeugte ein Blutprofil, das mit höherem Risiko für Herzinfarkt, Herzschwäche und Vorhofflimmern assoziiert ist. FITBOOK hat sich die Studie genauer angesehen.

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Forscher wollten Verzerrungen bei Blutwerten durch Schlafmangel aufdecken

Luiz Eduardo Mateus Brandão und Lei Zhang sind Postdoktoranden im Bereich medizinische Wissenschaften der Universität Uppsala. Mit ihrem Team untersuchten sie unter Laborbedingungen, wie sich Schlafdauer, Blutabnahmezeitpunkt und Sport unmittelbar auf 88 bekannte Herz-Kreislauf-Biomarker im Blut auswirken. Das besondere Augenmerk der Forscher lag auf den Effekten von kurzfristigem, aber wiederholtem Schlafentzug (Fachbegriff: kurzfristige Schlafrestriktion) und intensivem körperlichen Training.

Klassische Methoden für die Risikobewertung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Faktoren wie Alter, Cholesterin oder Blutdruck – um nur einige wenige zu nennen. In der Forschung wird zur Risikovorhersage für Herzkrankheiten die sogenannte Proteomanalyse eingesetzt. Dabei wird die Gesamtheit aller Proteine in einem bestimmten Gewebe oder in einer bestimmten Körperflüssigkeit (z. B. Blutplasma) zu einem bestimmten Zeitpunkt untersucht. Mit dieser Methode, die noch nicht Standard in der klinischen Praxis ist, sind Hunderte Proteine gleichzeitig messbar. Man weiß dadurch, was tatsächlich aktiv im Körper passiert, da Proteine die Funktionsträger in Zellen sind.

Schlafstörungen als Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse – aber …

Jetzt kommt das Aber: Denn aus Sicht der Forscher aus Uppsala wird oft nicht berücksichtigt, dass diese Marker, die die Proteomanalyse ausspuckt, starken kurzfristigen Schwankungen unterliegen können. Aus anderen Studien ist etwa bekannt, dass Schlafmangel ein Risikofaktor für Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße sein kann. Weniger als fünf Stunden pro Nacht könnten etwa mit einem erhöhten Risiko für koronare Herzkrankheiten (KHK) einhergehen.1

Unbekannt ist aber, wie sich Schlafmangel auf diese Proteinmarker auswirkt, die die Proteomanalyse liefert. Das Ziel der vorliegenden Studie war, klinisch relevante Verzerrungen aufzudecken, um die Interpretation von Blutwerten künftig zu verbessern.

Auch interessant: Intensiver Sport am Abend wirkt sich ab bestimmtem Zeitpunkt schlecht auf den Schlaf aus

Studie: 8,5 Stunden Schlaf, Schlafmangel und 30 Min. intensives Training

Und so gingen die Forschenden vor: 16 gesunde, normal gewichtige Männer ließen sie jeweils drei Nächte normal schlafen (8,5 Stunden) und drei Nächte nicht – in diesen Nächten gestatteten sie den Männern nur 4,25 Stunden Schlaf. Am Morgen und Abend wurden Blutproben genommen. Ebenfalls wurden diese Proben vor und mehrfach nach einem 30-minütigen hochintensiven Training auf dem Fahrradergometer entnommen.

Ergebnisse der Studie

Die Forscher sahen sich 88 Herz-Kreislauf-bezogene Proteinen an und stellten Folgendes fest: Schlafdauer, Tageszeit und Bewegung lösten deutliche, teils protein-spezifische Veränderungen in der Konzentration von Herz-Kreislauf-Biomarkern aus. Wichtig zum Verständnis: Die Studie trifft keine direkte Aussage darüber, dass kurzfristiger Schlafmangel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen unmittelbar erhöht. Vielmehr weist sie darauf hin, dass Schlafmangel die Interpretation von Blutwerten beeinflussen kann, was potenziell zu Fehldiagnosen führen könnte.

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Kurze Schlafdauer erzeugte Blutwerte wie bei erhöhtem Risiko für Herzinsuffizienz

Besonders auffällig: Nach drei Nächten mit Schlafrestriktion wiesen 33 Prozent der untersuchten Proteine signifikante Unterschiede zwischen Morgen- und Abendwerten auf – deutlich mehr als bei normalem Schlaf (18 Prozent). Die Fachzeitschrift „Biomarker Research“ hat die Studienergebnisse veröffentlicht.2

Schließlich erzeugte Schlafrestriktion ein Blutprofil, das sich mit Daten aus großen Kohortenstudien deckt, in denen diese Proteinmuster mit einem erhöhten Risiko für Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit und Vorhofflimmern assoziiert wurden.

Im folgenden Video erklärt FITBOOK-Expert und Kardiologe Dr. Schneeweis über Herzinsuffizienz auf:

Andere Blutwerte nach 30 Minuten auf dem Ergometer

Hochintensives Training beeinflusste ebenfalls zahlreiche Proteine! Direkt nach dem Sport stiegen – unter normalen Schlafbedingungen – die Spiegel von 46 Proteinen signifikant an. Bei 4,25 Stunden Schlaf/Nacht waren es hingegen nur 18. Signalstoffe, die vom Körper während körperlicher Aktivität freigesetzt werden und positive Effekte auf die Gesundheit haben – insbesondere auf das Herz-Kreislauf-System, den Stoffwechsel, das Gehirn und das Immunsystem – erhöhte sich in beiden Schlafbedingungen. Aber meist stärker bei 8,5 Stunden/Nacht.

Bemerkenswert war, dass der Effekt von Sport auf die Proteine größer war als der Einfluss der Tageszeit.

Bedeutung der Studienerkenntnisse

Die Studie liefert wertvolle Hinweise für die klinische Forschung und Praxis: Blutwerte sind dynamisch – und ihre Aussagekraft hängt stark vom Erhebungskontext ab. Wer schlecht geschlafen oder kurz zuvor Sport gemacht hat, könnte beim Arzt Blutwerte zeigen, die sein tatsächliches Risiko verzerren – sowohl in positiver als auch in negativer Richtung. Besonders kritisch: Das durch Schlafmangel erzeugte Biomuster entsprach dem aus großen Studien bekannten Risikoprofil für verschiedene Herzerkrankungen.

Blutwerte ausgeruht und ohne Sport analysieren lassen

Für Patienten wie Ärzte heißt das: Wer Blutwerte analysieren lässt, sollte ausgeruht sein – und davor auch Sport besser vermeiden.

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Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen

Positiv an der Studie hervorzuheben ist die streng kontrollierte Methodik. Einschränkungen gibt es aber auch: Mit 16 Personen war die Probandengruppe klein. Zudem war sie jung, männlich und gesund. Aussagen über Frauen, ältere Menschen, Kranke oder verschiedene Chronotypen (Schlaftypen) – von Lerche bis Eule – sind daher nicht direkt möglich. Auch längere Zeiträume von Schlafmangel wurden nicht untersucht – obwohl chronischer Schlafentzug in der Bevölkerung weitverbreitet ist.

Themen Herzgesundheit Herzinsuffizienz Schlaf

Quellen

  1. Sadabadi F., Darroundi S., Esmaily H. et al. (2023): The importance of sleep patterns in the incidence of coronary heart disease: a 6-year prospective study in Mashhad, Iran. Scientific Reports. ↩︎
  2. Brandão L. E. M., Zhang L., Grip A. et al. (2025): The overlooked trio: sleep duration, sampling time and physical exercise alter levels of olink-assessed blood biomarkers of cardiovascular risk. Biomarker Research. ↩︎

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