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Studie entdeckt „Longevity“-Potenzial

Metformin wirkt sich offenbar auf Lebenserwartung von Frauen aus

Metformin Lebenserwartung
Bei Diabetes denkt man erstmal an Insulin-Spritzen. Metformin kann jedoch oral als Tablette eingenommen werden. Foto: picture alliance / Science Photo Library | WLADIMIR BULGAR

11. Juni 2025, 11:02 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Ein bekanntes Diabetes-Medikament wurde in einer Langzeitstudie auf eine bisher kaum erforschte Wirkung untersucht: Langlebigkeit. Frauen über 60 mit Typ-2-Diabetes, die mit Metformin behandelt wurden, hatten eine deutlich höhere Chance, 90 Jahre alt zu werden – im Vergleich zu jenen, die zur Therapie Sulfonylharnstoffe einnahmen. Diese überraschende Erkenntnis wirft die Frage auf, ob ein jahrzehntealtes Medikament auch das Altern verlangsamen kann. FITBOOK-Redakteurin Sophie Brünke sprach hierzu auch mit Studienautor Aladdin H. Shadyab.

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Medikamente zeigen neben ihrem gewünschten Effekt nicht nur unangenehme Nebenwirkungen, sondern überraschen teils auch positiv mit unerwarteten Vorteilen. So rückt das Diabetes-Medikament Metformin zunehmend in den Fokus, wenn es um das Thema Lebenserwartung geht. Die aktuelle Untersuchung analysierte mithilfe eines modernen Verfahrens – dem sogenannten „Target Trial Emulation“ – Daten der bekannten Women’s Health Initiative (WHI), einer US-weiten Langzeitstudie. Ziel war es herauszufinden, ob die Erstbehandlung mit Metformin gegenüber Sulfonylharnstoffen (eine andere Klasse Antidiabetika) eine „außergewöhnliche Langlebigkeit“ fördert – definiert als Alter von mindestens 90 Jahren. Die Ergebnisse könnten wegweisend für zukünftige Studien zur Lebensverlängerung und gesundem Altern sein.

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Länger jung und gesund? Forschung zum Altern

Gerontologische Forschung befasst sich mit den verschiedenen Aspekten des Alterns. Sie betrachtet den Alterungsprozess selbst, mit ihm verbundene Krankheiten und Auswirkungen des Alterns auf die Gesellschaft. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft benennt die Zuckerkrankheit in ihrem Gesundheitsbericht 2024 als „gesamtgesellschaftliche Herausforderung“ vor dem Hintergrund immer weiter steigender Fallzahlen.1 Denn Diabetes ist mit ernsthaften Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nieren- und Nervenschäden verbunden. Zur Behandlung von Typ-2-Diabetes wird bereits seit mehreren Jahrzehnten das Medikament Metformin eingesetzt, es ist weltweit etabliert. Es steht seit Langem im Verdacht, über seine blutzuckersenkende Wirkung hinaus das Altern zu beeinflussen. Es greift in zentrale Mechanismen des Zellstoffwechsels ein, hemmt Entzündungsprozesse und begrenzt DNA-Schäden. Trotz dieser theoretischen Grundlagen blieb bislang unklar, ob Metformin tatsächlich die Lebenserwartung verlängern kann – insbesondere im Vergleich zu anderen gängigen Medikamenten.

Ziel der aktuellen Studie war es, den direkten Einfluss von Metformin auf das Erreichen eines Alters von mindestens 90 Jahren bei älteren Frauen mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes zu untersuchen. Dabei diente die Behandlung mit Sulfonylharnstoffen als Vergleich, da beide Medikamente in dieser Patientengruppe häufig eingesetzt werden.2

Wissenschaftler verwandelten Beobachtungsdaten in klinische Studie

Die Forscher führten eine sogenannte „Target Trial Emulation“ durch – eine moderne Methode, mit der sich Daten aus Beobachtungsstudien so auswerten lassen, als handele es sich um eine randomisierte kontrollierte Studie, der Goldstandard in der Forschung. Grundlage war die Women’s Health Initiative (WHI), eine US-amerikanische Langzeitstudie mit über 30 Jahren Laufzeit. Eingeschlossen wurden 438 Frauen über 60 Jahren, bei denen zwischen 1996 und 2001 Typ-2-Diabetes neu diagnostiziert wurde und die bis dahin keine Antidiabetika oder Insulin eingenommen hatten. Diese wurden in zwei gleich große Gruppen unterteilt: Eine erhielt Metformin, die andere Sulfonylharnstoffe zur Behandlung. Mittels Propensity-Score-Matching wurden die Gruppen in Bezug auf Alter, Lebensstil, Begleiterkrankungen und andere Einflussfaktoren ausgeglichen. Die Nachbeobachtung erstreckte sich bis Februar 2024, wobei das Hauptkriterium das Erreichen des 90. Lebensjahres war.

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Metformin verringerte Sterberisiko um bis zu 30 Prozent

Frauen, die mit Metformin behandelt wurden, hatten ein signifikant geringeres Risiko, vor dem 90. Lebensjahr zu sterben. Die Sterberate lag bei ihnen bei 3,7 Todesfällen pro 100 Personenjahre im Vergleich zu 5,0 bei Frauen, die Sulfonylharnstoffe erhielten. Das entspricht einem um 30 Prozent geringeren Sterberisiko.

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Auch in zusätzlichen Analysen, bei denen Frauen ausgeschlossen wurden, die innerhalb von zwei Jahren nach Studienbeginn starben, blieb der Vorteil von Metformin mit 28 Prozent bestehen. Besonders deutlich war der Effekt im Vergleich zu Glipizid, einem bestimmten Sulfonylharnstoff (37 Prozent).

Die Ergebnisse blieben auch bei unterschiedlichen statistischen Annahmen stabil: Aus der Analyse ging hervor, dass ein möglicherweise bisher unentdeckter Störfaktor einen starken Einfluss bräuchte, um die Ergebnisse zu entkräften.

Profitierten verschiedene Untergruppen unterschiedlich stark?

FITBOOK-Redakteurin Sophie Brünke wollte von Aladdin H. Shadyab, Studienautor und Professor für öffentliche Gesundheit und Medizin an der Universität Californien, wissen, ob bestimmte Untergruppen – z. B. Frauen mit bestimmten Vorerkrankungen oder einem höheren BMI – signifikant mehr von einer Metformin-Behandlung profitierten. Laut Shadyab war die Stichprobengröße der Studie jedoch nicht ausreichend groß, um Unterschiede festzustellen. „Künftige Studien sind erforderlich, um festzustellen, ob es bestimmte Untergruppen gibt, die eher von einer Metformin-Behandlung profitieren“, so Shadyab.

Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?

Diese Studie liefert Hinweise darauf, dass Metformin bei älteren Frauen mit Typ-2-Diabetes nicht nur die Blutzuckerwerte verbessert, sondern auch die Lebensdauer positiv beeinflussen kann – zumindest im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen. Da randomisierte Langzeitstudien mit jahrzehntelanger Laufzeit praktisch nicht durchführbar sind, stellt das hier verwendete Studiendesign einen wichtigen Fortschritt in der Langlebigkeitsforschung dar. Die Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass Metformin als sogenanntes „Gerotherapeutikum“ wirken könnte – also als Medikament, das Alterungsprozesse direkt beeinflusst. Für Betroffene bedeutet das jedoch nicht automatisch, dass Metformin für jeden geeignet ist. Die Studie erlaubt keine Rückschlüsse auf Männer, Jüngere oder Menschen ohne Diabetes. Auch die Frage, ob Metformin besser als gar kein Medikament (Placebo) wirkt, bleibt offen.

Einordnung der Studie

Die Studie überzeugt durch hochwertige Langzeitdaten, moderne Methodik (Target Trial Emulation) und sorgfältige statistische Anpassung. Die Ergebnisse sind robust und liefern wichtige Hinweise für die Langlebigkeitsforschung. Dennoch bleibt zu beachten: Es handelt sich um eine Beobachtungsstudie – Kausalität kann nicht sicher belegt werden. Wichtige Daten wie HbA1c, Nierenwerte oder genaue Medikamentendosen fehlten. Zudem wurden nur ältere Frauen mit Typ-2-Diabetes untersucht, was die Übertragbarkeit einschränkt. Auch ein Vergleich mit Placebo war nicht möglich. Trotzdem stellt die Arbeit einen wichtigen Schritt in der Erforschung von Metformin als potenziellem Altersmedikament dar.

Werden wir bald mehr wissen?

Laut Shadyab benötige es klinische Studien, die Metformin gegen ein Placebo testen, um herauszufinden, ob Metformin als „Longevity“-Mittel bei Nicht-Diabetikern wirkt. Und genau das könnte auch bald passieren. Die amerikanische FDA-Behörde bewilligte die Durchführung der TAME-Studie (Targeting Aging with Metformin), welche dies überprüft. Die Studie soll 3000 Teilnehmer im Alter von 65 bis 79 Jahren umfassen und sechs Jahre dauern. Sie ist bereits konzipiert, der genaue Start jedoch bislang unbekannt.3

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Fazit

Metformin war in dieser groß angelegten Beobachtungsstudie mit einer höheren Chance verbunden, das 90. Lebensjahr zu erreichen – zumindest im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen. Zwar lässt sich daraus keine Kausalität ableiten, doch die Ergebnisse liefern starke Impulse für weitere Forschung zur Lebensverlängerung. Für ältere Frauen mit Typ-2-Diabetes könnte Metformin daher nicht nur eine gute Blutzuckerkontrolle bieten, sondern auch eine langfristige Perspektive auf gesünderes Altern eröffnen.

Zum Abschluss hat Studienautor Shadyab noch einen Tipp für gesundes Altern, der bei jedem funktioniert: „Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Sport, ausreichend Schlaf und ein aktives soziales Leben sind wichtig, um ein langes und gesundes Leben zu führen.“

Themen Diabetes mellitus Typ 2 Langlebigkeit

Quellen

  1. Deutsche Diabetes Gesellschaft. Gesundheitsbericht 2024. (aufgerufen am 10.06.2025) ↩︎
  2. Shadyab, A. H., Espeland MA, Odegaard AO, et al. (2025). Comparative Effectiveness of Metformin vs Sulfonylureas on Exceptional Longevity in Women with Type 2 Diabetes: Target Trial Emulation. The Journals of Gerontology: Series A. ↩︎
  3. American Federation for Aging Research. Targeting the Biology of Aging. Ushering a New Era of Interventions. (aufgerufen am 10.06.2025) ↩︎

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