27. September 2024, 14:05 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass stark übergewichtige Kinder im Erwachsenenalter ein höheres Risiko für Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Depressionen haben. Eine neue Studie zeigt nun, dass bei Kindern mit hohem BMI auch das Risiko für Schizophrenie erhöht sein könnte.
Übergewicht bei Kindern ist ein ernstzunehmendes Problem. Laut Bundesministerium für Gesundheit sind in Deutschland 9,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig und 5,9 Prozent adipös.1 Übergewichtig ist man bereits ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25, adipös (fettleibig) ist man ab einem BMI von 30.2 Übergewicht setzt sich oft bis ins Erwachsenenalter fort und kann später zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Gelenkproblemen oder sogar Depressionen führen, wie das Bundesgesundheitsministerium warnt. Chinesische Forscher haben nun herausgefunden, dass Kinder mit einem hohen BMI möglicherweise auch ein höheres Risiko haben, im Erwachsenenalter an Schizophrenie zu erkranken.
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Übersicht
Kinder mit hohem Übergewicht haben höheres Risiko für diverse Erkrankungen
Adipositas im Kindesalter ist weltweit ein großes und weit verbreitetes Problem. Studien haben gezeigt, dass hohes Übergewicht im Jugendalter ein Marker für ein erhöhtes kardiometabolisches Risiko bei Jugendlichen und Erwachsenen ist.3 Das heißt: Kinder und Jugendliche mit starkem Übergewicht haben im späteren Lebensverlauf ein höheres Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Krankheiten sowie Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Adipositas sich vom Kindesalter bis ins Erwachsenenalter überträgt. Doch nicht nur das: Chinesische Forscher fanden in einer aktuellen Studie Hinweise dafür, dass Kinder mit einem hohen BMI später als Erwachsene ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen wie Schizophrenie haben.4
So lief die Studie ab
In ihrer Studie, die in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht wurde, untersuchten die Forscher die Gesundheitsdaten von Personen, die an zwei großen genetischen Studien teilgenommen hatten. Sie wollten herausfinden, ob Übergewicht in der Kindheit mit dem Risiko für psychische Erkrankungen zusammenhängt.
Hierfür analysierten sie Daten des „Psychiatric Genomics Consortium“ einem Langzeitprojekt, das die genetischen Grundlagen psychiatrischer Erkrankungen erforscht. Außerdem nutzen die Wissenschaftler Daten des FinnGen-Projekts, für das biologische Proben von 500.000 Teilnehmern in Finnland gesammelt wurden, um die Gesundheit durch Genforschung zu verbessern. Bei der Datenauswertung suchten die Forscher nach Hinweisen, ob Menschen, die als Kinder adipös waren, im Erwachsenenalter psychische Probleme entwickelten. Der Fokus wurde auf folgende psychische Erkrankungen gelegt:
- Zwangsstörungen
- schwere Depressionen
- Angststörungen
- Alzheimer
- Schizophrenie
Zusammenhang zwischen Kinder-BMI und Schizophrenie
Die Analyse der Daten ergab, dass es keinen Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit in der Kindheit und den oben beschriebenen psychischen Krankheiten gab – mit Ausnahme von Schizophrenie. Hier war jedoch der Zusammenhang deutlich erkennbar, wie die Forscher in ihrer Studienauswertung erläutern. Sie stellten auch fest, dass dieser Zusammenhang unabhängig von Adipositas im späteren Leben oder anderen Lebensstilfaktoren besteht. Das heißt, selbst wenn man als Erwachsener abnimmt, bleibt das Risiko für Schizophrenie trotzdem erhöht, wenn man als Kind adipös war.
Warum starkes Übergewicht in der Kindheit später zu Schizophrenie führen kann, können die Forscher derzeit noch nicht erklären. Eine Vermutung ist, dass überschüssiges Fettgewebe das Gehirn in einer kritischen Entwicklungsphase negativ beeinflussen könnte. Eine weitere mögliche Erklärung lautet: Die Adipositas könnte das Darmmikribiom negativ beeinflussen, was wiederum zu psychischen Krankheiten führen kann – die Forschung bietet hierfür einige Anhaltspunkte.
Übergewicht bei Kindern führt aber auch zu psychischen Belastungen, die durch zwischenmenschliche Stressfaktoren verursacht werden wie bspw. soziale Stigmatisierung, Mobbing und Ausgrenzung. Als Folge können Kinder im späteren Lebensverlauf anfälliger sein für psychische Krankheiten, lautet ein weiterer Erklärungsversuch der Forscher.
Doch auch ohne eine eindeutige Erklärung für die Befunde zeige die Studie – so die Wissenschaftler – wie wichtig es sei, Fettleibigkeit bei Kindern zu vermeiden beziehungsweise zu behandeln. Hierzu sollten Gesundheitsinstitutionen ihre Maßnahmen verstärken, um Kinder vor Übergewicht zu schützen, lautet ihre dringende Empfehlung.
Studie zum Adipositas-Risiko Mädchen oder Jungen? An wen Fettleibigkeit der Mutter eher vererbt wird
Laut Studie Starkes Übergewicht kann zu Depressionen führen
Studie Übergewichtige Teenager haben ein erhöhtes Risiko für 17 Krebsarten im Erwachsenenalter
Body-Mass-Index in der Kritik
Obwohl der Body-Mass-Index gerne herangezogen wird, um zu überprüfen, ob man übergewichtig ist oder nicht, steht er in der Kritik. Man errechnet den BMI, indem man das eigene Körpergewicht durch „Körpergröße mal Körpergröße in Metern“ dividiert. Als Beispiel eine Rechnung für einen Mann von 1,85 Meter Größe und 90 Kilogramm Gewicht:
- 90 durch „1,85 x 1,85“ ergibt einen BMI von 26,3.
Das Problem dabei: Ein Mann beispielsweise mit 90 Kilogramm Gewicht und einem BMI von 26 ist laut BMI schon übergewichtig. Der BMI kann jedoch nicht zwischen einem muskulösen, durchtrainierten Mann und einem ebenso schweren untrainierten Mann mit hohem Körperfettanteil unterscheiden. Deswegen kommt der Gesundheitsexperte Dr. Michael Despeghel in einem früheren FITBOOK-Beitrag bereits zu dem Schluss: „Der BMI sagt nichts über die Gesundheit oder das Krankheitsrisiko eines Menschen aus“.
Eine aussagekräftigere Alternative zum BMI als Index für Über- bzw. Untergewicht könnte das Taille-Hüft-Verhältnis sowie das Taille-Größe-Verhältnis sein. Wie es funktioniert, erklärt FITBOOK in dem Beitrag „Warum das Taille-Hüft-Verhältnis aussagekräftiger als der BMI sein könnte“.