
21. Juni 2025, 8:45 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Im Jahr 2024 sind laut DLRG mindestens 378 Menschen in Deutschland ertrunken – darunter 14 Kinder. Besonders erschreckend: Schon wenige Zentimeter Wasser genügen, um für kleine Kinder zur tödlichen Falle zu werden. Vorsorge beginnt mit Wissen und wacher Aufmerksamkeit. Denn was viele nicht wissen: selbst Schwimmen auf Seepferdchen-Niveau schützt nicht ausreichend.
Jedes Jahr ertrinken Kinder – oft in nur wenigen Sekunden und ganz ohne einen Laut. Die tragische Wahrheit: Viele dieser Unfälle geschehen direkt vor den Augen der Eltern. Doch wer die Gefahren kennt und vorbereitet ist, kann sein Kind retten.1
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Übersicht
- Warum Kinder beim Ertrinken nicht schreien
- Gefahr im Alltag: Wenn wenige Zentimeter Wasser tödlich sind
- Kinder besonders gefährdet
- Schwimmen lernen rettet Leben – aber reicht nicht allein
- So lernt man als Kind sicher schwimmen
- Schwimmen wird mehr zum Risiko – weil immer weniger Kinder es lernen
- Studie zeigt: Eltern überschätzen das Gefahrenbewusstsein ihrer Kinder
- Quellen
Warum Kinder beim Ertrinken nicht schreien
Das Bild vom schreienden, wild strampelnden Kind beim Ertrinken ist ein Mythos. In Wahrheit verläuft der Vorgang leise und unbemerkt. Kleinkinder, die ins Wasser fallen, geraten oft mit dem Gesicht nach unten – durch ihre noch nicht vollständig entwickelte Motorik sind sie nicht in der Lage, sich selbstständig aus dieser Position zu befreien.
Zudem kann es beim Eintauchen zu einem Spasmus der Stimmbänder kommen. Dieser Reflex blockiert die Atmung und verhindert jeden Laut. Das Kind geht einfach unter – ohne dass es jemand bemerkt.
Gefahr im Alltag: Wenn wenige Zentimeter Wasser tödlich sind
Besonders gefährlich sind Wasserflächen, die im Alltag als harmlos erscheinen: Planschbecken, Gartenteiche, Regentonnen oder sogar Pfützen. Bereits zehn Zentimeter Wasser können tödlich sein. Vor allem Kinder unter fünf Jahren sind gefährdet – und genau in diesem Alter passieren die meisten Unfälle im häuslichen Umfeld.
Bei Schulkindern ereignen sich Badeunfälle häufiger in öffentlichen Schwimmbädern – oft wegen unzureichender Schwimmkenntnisse. Jugendliche geraten hingegen meist in Seen oder Flüssen in Gefahr – etwa durch Selbstüberschätzung oder Gruppenzwang.
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Kinder besonders gefährdet
Ertrinken ist die häufigste Todesursache bei Kindern im Alter zwischen null und fünf Jahren. Häufige Ursache: mangelnde Schwimmfähigkeit. Doch selbst das reicht als Erklärung nicht aus – denn Kinder sind auf mehreren Ebenen besonders verletzlich, wenn es um Wasser geht.
Zum einen wirkt Wasser gerade auf Kinder stark anziehend: Lichtreflexe, Bewegungen oder schwimmende Blätter lösen Neugier aus – ohne dass ihnen die damit verbundenen Gefahren bewusst sind. Kleinkinder haben kein ausreichendes Risikobewusstsein. Selbst ältere Kinder können oft nicht einschätzen, wie tief ein Gewässer ist oder ob sie darin stehen könnten.
Auch die Umgebung spielt eine Rolle
Zwar mag der eigene Pool im Garten gut gesichert sein – doch eine offene Regentonne beim Nachbarn, ein nicht abgedeckter Teich oder ein unbewachter Zugang zu einem Bachlauf sind schnell übersehen. Besonders in ungewohnter Umgebung, etwa im Urlaub oder bei Ausflügen, erhöht sich das Risiko zusätzlich.
Hinzu kommt: Kinder haben oft einen größeren Bewegungsradius, als Erwachsene glauben. Schon kleine Kinder können sich schnell, neugierig und zielgerichtet fortbewegen – oft unbeobachtet.
Die Statistik zeigt, wie sich die Gefahrenlage mit dem Alter verändert:
- Kinder unter fünf Jahren ertrinken am häufigsten im eigenen Garten – in Planschbecken, Pools oder Teichen, oft unbemerkt.
- Fünf- bis Neunjährige verunglücken eher in öffentlichen Schwimmbädern – oft durch mangelnde Schwimmkenntnisse, Panik oder falsches Verhalten im Wasser.
- Zehn- bis 14-Jährige geraten vor allem in Seen, Flüssen oder beim Eislaufen in Not – oft durch Selbstüberschätzung, Gruppenzwang oder sogar Alkoholkonsum.2
Gerade deshalb sind präventive Maßnahmen so wichtig: Eltern und Betreuungspersonen müssen die Risiken kennen, potenzielle Gefahrenquellen erkennen – und bewusst vermeiden.
Schwimmen lernen rettet Leben – aber reicht nicht allein
Kinder, die schwimmen können, sind besser geschützt – das ist unbestritten. Doch auch das sichere Schwimmen ersetzt niemals die Aufsichtspflicht. Entscheidend ist die Kombination aus Schwimmfähigkeit, elterlicher Begleitung und Wasserbewusstsein.
Schwimmen fördert nicht nur die Sicherheit, sondern hat viele positive Effekte:
- stärkt die Muskulatur und Ausdauer
- schont die Gelenke
- fördert die Körperkoordination
- steigert das Selbstbewusstsein
- macht Spaß und ist gesund
Empfohlen wird eine strukturierte Schwimmausbildung ab etwa fünf Jahren. Vorher können Kinder durch spielerische Wassergewöhnung vorbereitet werden – etwa durch Blubbern, Tauchen, „Seestern“-Liegen oder das Öffnen der Augen unter Wasser.3
So lernt man als Kind sicher schwimmen
Wichtig ist: Schwimmen ist mehr als Planschen. Ein Kind kann als sicherer Schwimmer gelten, wenn es:
- mindestens 15 Minuten ohne Hilfe durchschwimmt,
- sicher tauchen und einen Gegenstand aus zwei Metern Tiefe holen kann,
- aus einem Meter Höhe ins Wasser springt und weiter schwimmt.
Das entspricht dem Bronzeabzeichen. Das Seepferdchen zeigt nur Wassergewöhnung – Kinder mit diesem Abzeichen gelten nicht als sichere Schwimmer, betont die DLRG. Auch nach dem Kurs gilt: dranbleiben. Schwimmen ist eine Fähigkeit, die durch regelmäßiges Üben erhalten und verbessert wird – der Schulunterricht reicht in der Regel nicht aus.
Tipp: Erkundigen Sie sich bei lokalen Schwimmbädern über Angebot für Kinder. Die Berliner Bäder-Betriebe zum Beispiel bieten Wassergewöhnungs- und Schwimmkurse für Kinder an, bei denen sie das Seepferdchen und weitere Abzeichen erwerben können. Auch für Erwachsene gibt es spezielle Kurse zum Schwimmenlernen.4
Schwimmhilfen – hilfreich, aber niemals sicher
Schwimmflügel, -reifen oder Westen geben vielen Eltern ein Gefühl von Sicherheit. Doch sie können verrutschen, umkippen oder versagen. Für Wassergewöhnung ja – für echtes Schwimmenlernen nicht geeignet.
Fürs Üben sind Schwimmbretter oder Schwimmnudeln besser. Diese lassen sich in den meisten Schwimmbädern gegen Pfand ausleihen. Aber auch hier gilt: Kein Kind darf unbeaufsichtigt bleiben – selbst wenn es erste Schwimmzüge beherrscht.5
Schwimmen wird mehr zum Risiko – weil immer weniger Kinder es lernen
Die Schwimmsituation in Deutschland hat sich über Jahre hinweg dramatisch verschlechtert. Bereits im Jahr 2020 konnten laut DLRG fast 25 Prozent der Grundschulen keinen Schwimmunterricht mehr anbieten – bedingt durch marode Schwimmbäder, Personalmangel und die Coronapandemie. Die Folge: Immer mehr Kinder verließen die Grundschule ohne grundlegende Schwimmkenntnisse. Im selben Jahr starben laut Statistik 18 Kinder im Vorschulalter und fünf im Grundschulalter im Wasser – Experten sehen einen klaren Zusammenhang zur abnehmenden Schwimmfähigkeit.6
Diese Tendenz hat sich fortgesetzt. Laut einer DLRG-Forsa-Umfrage von 2022 verfügten nur 24 Prozent der Grundschüler über das Bronzeabzeichen – also über eine sichere Schwimmfähigkeit. Mehr als die Hälfte konnte nicht sicher schwimmen. Besonders betroffen: Kinder aus einkommensschwachen Haushalten. Während fast jedes zweite Kind aus Familien mit unter 2500 Euro Einkommen nicht sicher schwimmen konnte, war es bei Familien mit über 4000 Euro Einkommen nur jedes achte. Gleichzeitig fehlt es an Schwimmkursen und Bädern – die Wartelisten sind lang.7
Wenn viele zusehen – aber niemand handelt
Ein unterschätzter Faktor ist die sogenannte Verantwortungsdiffusion. Sie tritt auf, wenn mehrere Erwachsene anwesend sind, aber niemand sich direkt zuständig fühlt. Jeder denkt, jemand anderes achtet schon auf das Kind.
Gerade bei Ausflügen, Grillfesten oder in Schwimmbädern ist das ein echtes Risiko. Lösung: Immer klar festlegen, wer auf das Kind aufpasst. Und wer übernimmt, wenn diese Person kurz nicht kann.
Studie zeigt: Eltern überschätzen das Gefahrenbewusstsein ihrer Kinder
Wie realistisch schätzen Eltern, Großeltern und andere Betreuungspersonen eigentlich die Gefahr des Ertrinkens ein? Genau das untersuchte das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) in Österreich im Rahmen des Projekts „Vision Zero – Prävention von Kinderunfällen“.
Ziel der Untersuchung war es, das Wissen und Verhalten von Betreuungspersonen gegenüber Ertrinkungsrisiken und anderen Alltagsgefahren (wie Fensterstürzen) zu analysieren – insbesondere aus ihrer eigenen Sicht. Insgesamt wurden 45 Betreuungspersonen von Kindern unter 15 Jahren befragt – darunter Eltern, Tanten, Großeltern, Pflegeeltern und Nachbarn. Alle Teilnehmenden betreuen mindestens einmal pro Monat Kinder, mehr als die Hälfte der betreuten Kinder war jünger als zehn Jahre.
Unaufmerksamkeit und fehlende Aufsicht
Die meisten Teilnehmer waren sich zwar der Wichtigkeit der Aufsicht bewusst, gaben jedoch an, dass bereits kurze Ablenkungen häufig unterschätzt würden. Vor allem bei kleinen Kindern in seichtem Wasser sei das Risiko kaum präsent. Vielen war aber durchaus bewusst, dass schon ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit tragisch enden kann – gerade weil das „stille Ertrinken“ kaum auffällt.
Gefahr durch Verantwortungsdiffusion
Ein zentrales Ergebnis war, dass viele Betreuungspersonen bei gemeinsamen Aktivitäten (wie im Schwimmbad oder Garten) nicht klar festlegen, wer das Kind im Auge behält. Das führt dazu, dass sich niemand direkt zuständig fühlt – jeder geht stillschweigend davon aus, dass jemand anderes aufpasst. Eine klare Rollenverteilung wurde daher als unverzichtbare Maßnahme genannt, um diese gefährliche Lücke zu schließen.
Falsches Sicherheitsgefühl durch Regeln
Ein häufiger Trugschluss in den Fokusgruppen war die Annahme, dass es reiche, Kindern Verhaltensregeln zu erklären. Viele Betreuungspersonen hielten es für ausreichend, Kinder zu ermahnen, sich vorsichtig zu verhalten – etwa „nicht ins Wasser zu laufen“. Problematisch daran: Kinder unter etwa vier Jahren besitzen entwicklungspsychologisch noch kein stabiles Gefahrenbewusstsein. Sie können Risiken nicht korrekt einschätzen und vergessen Regeln in neuen, aufregenden Situationen schnell wieder.
Die Untersuchung zeigt eindrücklich: Prävention beginnt bei den Erwachsenen. Nicht durch Appelle an die Kinder, sondern durch realistisches Denken, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein – und eine gute Vorbereitung auf den Notfall.8
Was tun nach einem Badeunfall? Warnzeichen erkennen – richtig handeln
Sollte es nun doch passieren, dass es zu einem Badeunfall kommt, ist nach der Rettung aus dem Wasser der Schreck oft groß – aber auch die Gefahr ist noch nicht vorbei. Manche Symptome treten erst verzögert auf. Diese Warnzeichen sollten Eltern ernst nehmen:
- Anhaltender Husten
- Erschwerte oder schnelle Atmung
- Erbrechen
- Teilnahmslosigkeit oder Verwirrtheit
Treten diese Symptome auf, muss das Kind sofort ärztlich untersucht werden. Entwarnung: Ohne Symptome besteht keine medizinisch relevante Gefahr – das in Medien oft erwähnte „sekundäre“ oder „trockene Ertrinken“ tritt nicht plötzlich symptomfrei auf. Der Schlüssel liegt in schneller Beobachtung und klarer Entscheidung.

Achtung, hier lauern die Gefahren beim Baden im Sommer!

Wo passieren die meisten Badeunfälle – und wer ist besonders gefährdet?

Ist es wirklich gefährlich, mit vollem Magen ins Wasser zu gehen?
Die Baderegeln für Kinder – damit Sicherheit Spaß macht
Wer sich im Wasser aufhält – ob groß oder klein – sollte einige grundlegende Baderegeln der DLRG beachten. Sie sind einfach, aber entscheidend, um Badeunfälle zu vermeiden:
- Man sollte nur ins Wasser gehen, wenn man sich fit und gesund fühlt.
- Vor dem Schwimmen ist es wichtig, sich kurz abzuduschen und den Körper abzukühlen.
- Bei leerem oder sehr vollem Magen sollte man auf das Baden verzichten.
- Nichtschwimmer dürfen nur bis zur Brust ins Wasser – auch in scheinbar harmlosen Gewässern.
- Aufblasbare Schwimmhilfen bieten keinen zuverlässigen Schutz und ersetzen weder Schwimmfähigkeit noch Aufsicht.
- Ins Wasser springen sollte man nur, wenn es ausreichend tief und frei von Hindernissen ist.
- Bei Gewitter gilt: sofort das Wasser verlassen und Schutz in einem festen Gebäude suchen.
- Man ruft nur dann um Hilfe, wenn wirklich Gefahr besteht – dafür sollte man aber nicht zögern, anderen in Not zu helfen.
- Um die Natur und andere Badegäste nicht zu gefährden, sollte man das Wasser und seine Umgebung sauber halten und Müll ordnungsgemäß entsorgen.
Ein Moment der Unaufmerksamkeit, zehn Zentimeter Wasser – und alles kann zu spät sein. Kinder ertrinken still. Doch mit klarer Aufsicht, guter Vorbereitung, Schwimmkompetenz und realistischer Einschätzung können Eltern Leben retten – Tag für Tag.