
2. Juni 2025, 13:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Viele Menschen trinken täglich Kaffee, um wacher und leistungsfähiger zu sein – doch liegt das wirklich am Koffein? Eine neue Studie aus Slowenien untersuchte, ob nicht schon der bloße Akt des Kaffeetrinkens, unabhängig vom Koffeingehalt, diese Effekte auslöst – und kam zu einer erstaunlichen Erkenntnis.
Kaffee gilt als Wachmacher Nummer eins – sein Effekt wird meist dem enthaltenen Koffein zugeschrieben. Doch sind die belebenden Effekte tatsächlich auf das Koffein zurückzuführen, oder spielt die Erwartungshaltung ebenfalls eine Rolle? Eine neue Studie von Forschern aus Slowenien wollte genau das herausfinden: Die Wissenschaftler verglichen die Wirkung von koffeinhaltigem und entkoffeiniertem Kaffee auf Herz-Kreislauf-Parameter, die Hirnaktivität und kognitive Leistungen. Ihre Ergebnisse könnten unser Verständnis vom sogenannten „Kaffeekick“ grundlegend verändern.
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Übersicht
Welche Effekte hat Kaffee, wenn Koffein fehlt?
Die Studie wollte herausfinden, ob die typischen Effekte von Kaffee – wie bessere Aufmerksamkeit und schnellere Reaktionen – wirklich auf Koffein zurückzuführen sind oder auch ohne Koffein auftreten. Denn viele Menschen trinken Kaffee nicht nur wegen des Koffeins, sondern auch wegen des gewohnten Rituals: der Duft, der Geschmack, die Tasse in der Hand. Um diesen Effekt zu testen, setzten die Forscher entkoffeinierten Kaffee als Placebo ein. Die Frage war: Ist es das Koffein, das wach macht, oder schon der gewohnte Akt des Kaffeetrinkens?1
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Studiendesign und Methoden
Teilgenommen haben 20 gesunde, rechtshändige Studierende (zehn Frauen, zehn Männer, Durchschnittsalter 24,6 Jahre). Alle waren regelmäßige Kaffeetrinker (ein bis drei Tassen pro Tag) und mussten vor der Studie mindestens acht Stunden koffeinfrei bleiben, um Entzugseffekte zu vermeiden. Die Teilnehmenden bekamen entweder entkoffeinierten Kaffee mit zugesetztem Koffein oder reinen entkoffeinierten Kaffee. Die Koffeindosis wurde individuell berechnet: Für jede Person wurden sechs Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewicht verabreicht. Um eine zu hohe Dosis zu vermeiden, wurde die Maximalmenge auf 550 Milligramm pro Person begrenzt. Niemand wusste, was er bekam – alle dachten, sie hätten normalen (koffeinhaltigen) Kaffee getrunken.
Vor und nach dem Trinken wurden verschiedene Werte gemessen:
- Herzfrequenz
- Blutdruck
- Reaktionszeit in einem Reaktionstest (auf seltene Töne reagieren)
- Leistung in einem Kopfrechentest
- Hirnaktivität (EEG) – in Ruhe und während der Aufgaben
Die Messungen fanden in einem Labor statt, um äußere Einflüsse zu vermeiden.
Mit oder ohne Koffein – es gibt einen Placebo-Effekt
Die Ergebnisse der Studie: Sowohl Kaffee mit Koffein als auch entkoffeinierter Kaffee beeinflussten den Körper – und zwar überraschend ähnlich. In beiden Gruppen sank die Herzfrequenz, und der Blutdruck stieg leicht, egal ob Koffein enthalten war oder nicht.
Auch bei den Reaktionszeiten zeigte sich ein Effekt: Die Teilnehmenden reagierten nach dem Trinken schneller – im Durchschnitt um 22 Millisekunden bei entkoffeiniertem Kaffee (Placebo) und um 21 Millisekunden bei Koffein. Das heißt: Der Effekt trat in beiden Gruppen auf, allerdings war er nur in der Koffeingruppe statistisch signifikant. Im Kopfrechentest gab es keinen Unterschied.
Im EEG zeigte sich nach Koffeinkonsum eine Verstärkung der sogenannten P3-Komponente – ein Signal, das mit Entscheidungsprozessen im Gehirn verbunden ist – an der Cz-Elektrode. Diese Elektrode sitzt auf dem Scheitelpunkt des Kopfes und misst elektrische Hirnaktivität, die vor allem mit Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung zusammenhängt. Außerdem gab es kleinere Unterschiede bei Alpha- und Beta-Wellen an einzelnen Punkten (AF4, FC2, T7, CP6, P3, PO4). Insgesamt waren diese EEG-Effekte jedoch klein und auf wenige Stellen beschränkt. Im Kopfrechentest gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen.
Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?
Die Studie zeigt: Es scheint einen Placebo-Effekt des Kaffeetrinkens zu geben. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass für regelmäßige Kaffeetrinker bereits das Ritual des Kaffeetrinkens eine große Rolle spielt. Schon der Geruch, der Geschmack und die Erwartung, Kaffee zu trinken, können dazu führen, dass man sich wacher fühlt – auch wenn der Kaffee gar kein Koffein enthält. Das Koffein selbst hat zwar messbare Effekte an bestimmten Stellen im Gehirn, aber der Unterschied ist laut der vorliegenden Studie kleiner als oft gedacht. Was das für die Praxis heißt? Sie könnten Ihren Liebsten vielleicht gelegentlich mal einen entkoffeinierten Kaffee unterschmuggeln – dank Placebo-Effekt sollten sie sich dennoch leistungsfähiger und wacher fühlen. Selbst bewusst den Koffeinkonsum einzuschränken, wäre zwar auch wünschenswert, würde allerdings den hier beschriebenen Placebo-Effekt zunichtemachen.
Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen
Die Stärken der Studie bestehen darin, dass die Untersuchung unter Laborbedingungen stattfand, den Gruppen die Art des Kaffees zufällig und blind (ohne ihr Wissen) zugeteilt wurde und unterschiedliche Parameter gemessen, sowie Tests durchgeführt wurden. Allerdings war die Teilnehmerzahl mit 20 Personen relativ klein, und es wurden nur regelmäßige Kaffeetrinker untersucht – ob Menschen, die selten oder nie Kaffee trinken, genauso reagieren, ist unklar. Die EEG-Ergebnisse zeigten zwar Unterschiede, aber nur an wenigen Stellen und mit eher kleinen Effekten. Außerdem kann auch entkoffeinierter Kaffee noch geringe Mengen an Koffein enthalten.

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Fazit
Die Studie zeigt: Für viele Kaffeetrinker ist nicht nur das Koffein entscheidend – auch das Ritual und die Erwartung spielen eine große Rolle. Schon der Geruch und der Geschmack können helfen, sich wacher und konzentrierter zu fühlen. Koffein verstärkt diese Effekte zwar an einigen Stellen im Gehirn, aber insgesamt scheint der Placebo-Effekt wichtiger zu sein, als bisher gedacht.