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Studienlage

Dieser japanische Walking-Trend ist effektiver als 10.000 Schritte

Japanese Walking
Haben Sie schon mal Gehen in Intervallen ausprobiert? Es soll das Risiko einer ganzen Reihe an Erkrankungen senken und u. a. den VO2max-Wert besser steigern als „normales“ Gehen. Foto: Getty Images
Anna Echtermeyer
Redakteurin

16. Juni 2025, 15:26 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Wer täglich 10.000 Schritte geht, fühlt sich auf der sicheren Seite des langen Lebens. Aber wie wäre es mit einer noch wirksameren Geh-Methode, die Blutdruck, Fitness und Stimmung verbessert – und für die man noch nicht einmal die Hälfte der Zeit benötigt?

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Die Idee, täglich genau 10.000 Schritte zu gehen, hat ihren Ursprung weniger in der Medizin als im Marketing. 1965 brachte ein japanischer Hersteller einen Schrittzähler namens Manpo-kei „10.000-Schritte-Zähler“ auf den Markt. Die Zahl klang einfach gut und blieb hängen. Heute sagt die Forschung: Menschen über 60 Jahre haben ein stetig sinkendes Sterberisiko bei etwa 6.000 bis 8.000 Schritte pro Tag. Jüngere müssen für diesen Effekt mehr Schritte machen. Allen zusammen schadet es natürlich nicht, etwas mehr zu gehen – dies bringt aber nur noch geringe Zusatzeffekte. Und: Bereits ab wenigen Tausend Schritten sinkt das Risiko für chronische Erkrankungen und vorzeitigen Tod. Wie im Fall der 10.000 Schritte hat ein weiteres Gesundheitsziel seine Wurzeln in Japan: das sogenannte „Japanese Walking“, zu Deutsch „Japanisches Gehen“. Hier steckt aber offenbar mehr als Marketing dahinter: Zahlreiche Studien zeigen deutlich messbare Effekte auf Herz, Hirn und Lebensfreude. FITBOOK stellt die Methode vor.

„Japanese Walking“ – was ist japanisches Gehen?

Beim Japanischen Gehen kommt es weniger auf die Zahl der Schritte an. Stattdessen ist die Intensität wichtiger. Kurz gesagt: Man wechselt in Intervallen zwischen zügigem und langsamem Gehen. Die Methode wird daher auch als „Intervallgehen“ bezeichnet und besteht aus einem Intervall aus drei Minuten zügigem Gehen, gefolgt von drei Minuten lockerem Gehen. Laut den Erfindern des Intervallgehens, ein Team um dem japanischen Wissenschaftler Prof. Hiroshi Nose, kann man die Intensität des zügigen Teils auf einer Belastungsskala von 1 bis 10 bei einer 6 bis 7 einordnen. Der andere Teil soll sich ausgesprochen gemütlich anfühlen.

Bereits bei 30 Minuten pro Einheit soll japanisches Intervallgehen signifikante Effekte auf Blutdruck, Ausdauer und auch das psychische Wohlbefinden haben.

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Wegweisende Studie zur Wirkung des Intervallgehens auf die Gesundheit

Dr. Hiroshi Nose beschäftigte sich schon vor zehn Jahren mit der Entwicklung von Gehprogrammen. Sein Ziel war es, Programme zu entwickeln, mit denen Menschen mittleren Alters und älter auf körperlich sehr einfache Weise einen gesundheitlichen Nutzen erzielen können. 2007 veröffentlichten er und sein Team erstmals ein Experiment zum Intervallgehen und dessen Wirkung auf die Gesundheit.1 Nose testete sein Programm damals über einen Zeitraum von fünf Monaten an der Shinshu University im japanischen Matsumoto mit Wanderern. Es handelte sich um 186 Frauen und 60 Männer zwischen 44 und 78 Jahren.

Die Tester gingen mindestens dreimal pro Woche fünf solcher Intervalle à 30 Minuten. Zur Überwachung der „flotten“ vs. „gemütlichen“ Tempi trugen sie einen Beschleunigungssensor. Eine Vergleichsgruppe ähnlichen Alters ging ebenfalls 30 Minuten (etwa 8000 Schritte). Jedoch stets in gleichmäßigem Tempo (auf der Belastungsskala 4).

Wirkung übertrifft die des 10.000 Schritte-Gehens

Nose und sein Team stellten fest: Die Intervallgeher verbesserten ihre aerobe Fitness, ihre Beinkraft und ihre Blutdruckwerte deutlich besser als die Gleichmäßig-Geher (8000 Schritte). Die Wirkung des japanischen Gehens übertraf auch die Wirkung des Kernversprechens der berühmten 10.000 Schritte: die Reduzierung des Sterberisikos.

Die Ergebnisse der Untersuchung zum Intervallgehen: Schon 30 Minuten Intervallgehen an vier Tagen pro Woche erhöhten Muskelkraft und Ausdauer doppelt bis dreifach so stark wie das längere, aber gemächliche Dauergehen. Die Blutdrucksenkung bei jenen, die in Intervallen gingen, wird als klinisch relevant bezeichnet (9 mmHg systolisch). Des Weiteren fanden die Autoren eine enge Korrelation zwischen dem Zuwachs an VO2max (maximal mögliche Sauerstoffaufnahme) sowie der Abnahme des systolischen Drucks. Das deutet etwa auf eine verbesserte Gefäßfunktion hin.

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Weitere Studien bestätigen Befunde

In den vergangenen Jahren haben mehrere aussagekräftige Arbeiten die Wirkung des „Japanese Walking“ untersucht. Pauschal ausgedrückt kann man sagen, dass die Befunde von 2007 bekräftigt werden konnten.

Eine Studie mit 666 Teilnehmenden, Durchschnittsalter 65 Jahre, hat etwa gezeigt, dass BMI, Blutdruck und der Nüchternglukosewert zurückgehen. Der bereits erwähnte VO2max-Wert stieg, verbesserte sich also.2 Ein Zuwachs beim VO2max verbessert die Ausdauer; die anderen Veränderungen senken das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schützen Herz und Hirn langfristig und sind zentral für die Diabetes-Prävention. Bessere Zuwächse in Beinkraft (und VO2max) beim Intervallgehen im Vergleich zum kontinuierlichen Gehen zeigte unter anderem eine Studie mit 31 Frauen (Durchschnittsalter 59 Jahre).3

Eine aktuelle Arbeit, die über 40 Studien zum Thema zusammenfasst, stuft Intervallgehen als zeiteffizientes Public-Health-Werkzeug ein. Besonders für Personen über 60 Jahre oder mit erhöhtem kardiometabolischen Risiko.4

Psychische Effekte

Neben körperlichen Fortschritten wie verbesserte Kraft und Ausdauer sind auch die psychischen Effekte des japanischen Gehens erstaunlich. Teilnehmerinnen einer Pilotstudie, die täglich fünf Intervalle à dreimal drei Minuten gingen, reduzierten ihre Depressionswerte im Schnitt um etwa 50 Prozent im Verlauf des Intervallprogramms.5 Es handelt sich dabei um eine deutliche Verbesserung, die oft direkt mit gesteigerter Stimmung und Wohlbefinden einhergeht.

Auch enorme Zeitersparnis spricht für japanisches Gehen

Mehr Kraft, mehr Fitness, verbesserter Blutdruck und ein gesteigertes Wohlbefinden – japanisches Wandern übertrifft ganz offenbar das simple „abarbeiten“ des klassischen 10.000 Schritte-Ziels. Vor allem bei Menschen ab 60 Jahren.

Und das bei enorm reduziertem Zeitaufwand. Denn für 10.000 Schritte benötigt man, abhängig natürlich von Tempo und Schrittlänge, mit 1,5 bis zwei Stunden deutlich länger. Außerdem ist japanisches Gehen sehr flexibel anpassbar: Die Methode des japanischen Gehens wurde erfolgreich bei Rheuma, Diabetes, nach Ersatz eines Hüftgelenks – und sogar im Schwimmbad getestet.

Funktioniert auch im Schwimmbad

Intervallgehen im Schwimmbad ist besonders für Übergewichtige oder Menschen mit Gelenkproblemen interessant. Das muss man sich so vorstellen, dass man (zum Beispiel in einem Therapiebecken) durch das Wasser geht. Die Intensität im Wasser wird durch Schrittlänge, Armbewegung und Wasserwiderstand verändert; zur Kontrolle der Intervalle dient die subjektive Anstrengung. Sie erinnern sich: Der „anstrengende“ Teil soll sich auf einer Skala von 1 bis 10 nach einer 6 bis 7 anfühlen.

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Fazit

Studien liefern zahlreiche Hinweise dafür, dass japanisches Gehen hinsichtlich Gewicht, Blutdruck, Kraft und Fitness besser wirkt als kontinuierliches Gehen. Das Intervallgehen ist einfach umsetzbar, erfordert lediglich einen Intervalltimer oder eine Uhr, 30 Minuten Zeit und Gehen. Japanisches Gehen stellt somit eine wirkungsvolle Alternative zu dem gesellschaftlich verbreiteten 10.000-Schritte-Ziel dar. Und man benötigt dafür sogar nur ein Drittel bis ein Viertel der Zeit.

Quellen

  1. Nemoto K‑I., Gen‑No H., Nose H. et al (2007): Effects of high-intensity interval walking training on physical fitness and blood pressure in middle-aged and older people. Mayo Clinic Proceedings. ↩︎
  2. Morikawa M., Okazaki K., Masuki S. et al. (2011): Physical fitness and indices of lifestyle-related diseases before and after interval walking training in middle-aged and older males and females. British Journal of Sports Medicine ↩︎
  3. Handa S., Masuki S., Ohshio T. et al. (2015): Target intensity and interval walking training in water to enhance physical fitness in middle-aged and older women: a randomised controlled study. European Journal of Applied Physiology. ↩︎
  4. Karstoft K., Thorsen I. K., Nielsen J. S. et al. (2024): Health benefits of interval walking training. Applied Physiology, Nutrition, and Metabolism
    ↩︎
  5. Suzuki H., Masuki S., Morikawa A. et al. (2018): Effects of 5-aminolevulinic acid supplementation on home-based walking training achievement in middle-aged depressive women: randomized, double-blind, crossover pilot study. Science Report. ↩︎

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