Gewichtsdecken, auch als Gravity-Decken bekannt, werden als die Lösung gegen Schlaflosigkeit gehandelt. Und womöglich steckt tatsächlich mehr dahinter als gutes Marketing: Wie schwedische Forscher in einer Studie herausgefunden haben, können die bis zu zwölf Kilogramm schweren Zudecken die Nachtruhe deutlich verbessern.
Sogenannte Gewichtsdecken oder Gravity-Decken findet man im Netz auch als „Therapiedecken“ zur Behandlung von Schlafproblemen. Anbieter erklären den schlaffördernden Effekt mit dem Tiefendruck, den das Auflegen der schweren Zudecken erzeugt. Das Gehirn des Anwenders empfange dabei ein Signal, welches vergleichbar sei mit dem bei einer liebevollen Umarmung. Er komme dadurch zur Ruhe und schlafe besser durch.
Aber funktioniert das wirklich? Dieser Frage sind Forscher des Karolinska-Instituts in Solna bei Stockholm nachgegangen.
Studie mit Schlafstörungs-Patienten
Das Team um Studienleiter und Psychiater Dr. Mats Alder arbeitete mit 120 Menschen zusammen, bei denen psychische Erkrankungen (schwere Depression, Angststörungen oder eine bipolare Störung) bestanden. Sie alle beklagten als eines ihrer Symptome Schlaflosigkeit; und als Folge davon u.a. Abgeschlagenheit und Konzentrationsschwierigkeiten am Tag.
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So lief die Untersuchung ab
Für ein valides Ergebnis wurden die Probanden randomisiert in Gruppen aufgeteilt. Gruppe eins schlief für einen Zeitraum von insgesamt vier Wochen jede Nacht mit einer Gewichtsdecke. Die andere (Kontroll-)Gruppe bekam eine normal gewichtige Decke aus Kunststoff. Alle Details zur Untersuchung und den Ergebnissen wurden im Fachmagazin „Journal of Clinical Sleep Medicine“ veröffentlicht.
Nach 4 Wochen: Besserer Schlaf dank Gewichtsdecke
Die Auswertung erfolgte anhand des „Insomnia Severity Index“, eines offiziellen, in der Schlafforschung gängigen Fragenkatalogs. Außerdem ließen die Forscher die Probanden Tag- und Nachttagebücher führen und maßen deren Schlaf- und Tagesaktivitäten mithilfe von Handgelenkssensoren.
Zwischenstand nach vier Wochen: Die Probanden, die mit Gewichtsdecke geschlafen hatten, konnten damit besser durchschlafen und fühlten sich im Tagesverlauf besser und erholter als vor Beginn der Studie. Verschiedene ihrer Krankheitssymptome (= depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit, Abgeschlagenheit) sollen sich verbessert haben.
In Zahlen ausgedrückt sei bei den Probanden der Gewichtsdecken-Gruppe die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Schlaflosigkeit um die Hälfte zu reduzierte, 26 Mal höher als bei der Kontrollgruppe, so die Forscher. Die Chance, dass die Schlafstörungen vollständig verschwanden, sei immer noch 20 Mal höher gewesen.
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Follow-up-Studie bestätigt das Ergebnis
Im Anschluss an den ersten Untersuchungsteil begann die 12-monatige Nachverfolgungsphase. In dieser Zeit hatten die Probanden die Wahl, mit welcher Art von Decke sie schlafen wollten. Die meisten von ihnen entschieden sich für eine Gewichtsdecke, wie auch das deutsche Gesundheitsportal „Aponet“ zusammenfasst. Von den Studienteilnehmern, die im zweiten Untersuchungsteil auf eine Gewichtsdecke umgestiegen waren, sollen nach spätestens einem Jahr rund 92 Prozent von einer deutlichen Verbesserung ihrer Schlafqualität berichtet haben. Bei 78 Prozent sollen die Schlafstörungen gänzlich verschwunden sein.
Studienleiter Alder vermutet die oben angesprochene Druckausübung als Erklärung für den schlaffördernden Effekt. Er sei vergleichbar damit, was durch eine gezielte Akupressur und Massagegriffe auf verschiedene Stellen des Körpers passiert.
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Schweres Gewicht der Decke nicht jedem angenehm
Allerdings hatte ein Teilnehmer die Untersuchung aufgrund intensiver Angstgefühle vorzeitig abgebrochen. Möglich also, dass das für eine Zudecke ungewohnt schwere Gewicht nicht jedem angenehm ist und vielleicht sogar Unwohlsein hervorrufen kann. In dem Fall wäre eine Verbesserung von Schlaflosigkeit oder -störungen eher unwahrscheinlich. Ob Gewichtsdecken bzw. Gravity-Decken wirklich den gewünschten Zweck erzielen, das muss jeder Anwender individuell für sich herausfinden.