Zermürbende Schmerzen im Rücken, die durch das Gesäß bis ins Bein ausstrahlen, gehen oft vom Ischiasnerv aus. Zu den häufigsten Ursachen zählt verspanntes Gewebe, ausgelöst durch Bewegungsmangel und Fehlhaltungen. Gezielte Übungen können zur Linderung der Beschwerden verhelfen, wie eine Expertin für neurozentriertes Training zeigt.
Der Ischiasnerv (Nervus ischiadicus) ist der längste und auch dickste periphere Nerv des Menschen. Sein Verlauf erklärt die Schmerzen, die oftmals vom unteren Rücken bis ins hintere Bein ausstrahlen können: Er entspringt als Nervengeflecht aus dem Rückenmark im unteren Rücken und sendet sensorische Informationen aus dem Gehirn über das Rückenmark an die Beine (und umgekehrt). Solch eine Information kann zum Beispiel ein Bewegungsbefehl sein.
Mögliche Ursachen für Ischiasschmerzen
Die Ursachen für eine Ischialgie, wie der Ischiasschmerz auch genannt wird, können vielfältig sein. Bewegungsmangel und eine unzureichende Aktivierung der entsprechenden Muskeln (Stichwort: langes, einseitiges Sitzen!) ist sicherlich die häufigste Ursache. Hinzu kommt ein Zusammenspiel von Fehlhaltungen und ungünstigem Spannungsverhältnis aus Anspannung und Entspannung der Muskulatur und umliegenden Gewebsschichten, wie beispielsweise der Faszien.
Im Hinblick auf den Ischias sollten die Bereiche Lendenwirbelsäule, Gesäß, Hüfte und Beine sowohl einzeln bewegt werden können, als auch im Zusammenspiel koordiniert Bewegungen ausführen können. Da komplexe Bewegungen im Alltag immer seltener werden und das viele Sitzen die Strukturen oftmals einseitig fordert, fällt das vielen Menschen zunehmend schwer.
Hier gilt es, aktiv entgegenzuwirken. Der Schlüssel liegt darin, den genannten Bereichen möglichst viele unterschiedliche Bewegungen zu ermöglichen.
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Wie der Schmerz entsteht
Das Gehirn erhält von diversen Rezeptoren im Gewebe Informationen und sendet bei bedrohlichen Situationen Warnsignale an das Zentrale Nervensystem. Sind beispielsweise zu hohe Spannungen in der Muskulatur, und werden die Rezeptoren zu wenig gleichmäßig aktiviert, empfängt das Gehirn vorwiegend die bedrohlichen Spannungsinformationen – und kaum sichere Bewegungsdaten. Wähnt das Zentrale Nervensystem den Körper in Gefahr, sendet es Schmerzsignale. Ist die Intensität des Schmerzes hoch genug, unterbricht es die Bewegung oder ändert das Bewegungsmuster. Das Zentrale Nervensystem schützt uns reflexiv in gefährlichen Situationen, beispielsweise durch Schonhaltung bei stark ruckartigen ungewohnten Bewegungen.
Im Folgenden zeige ich Ihnen Anspannungs-, Entspannungs- und Atemübungen für zu Hause, mit denen Sie quälende Ischiasschmerzen in den Griff bekommen können.
7 gezielte Übungen gegen Ischiasschmerzen
Vorab: Gehen Sie langsam und gleichmäßig in diese Übung und hören Sie bei Schmerzen sofort auf. Sollten die Beschwerden innerhalb einiger Tage nicht deutlich besser werden, suchen Sie bitte einen Arzt auf.
Lendenwirbelsäule kreisen
Bei Ischiasschmerzen sind häufig die Nervenwurzeln der Lendenwirbelsäule beteiligt. In diesem Fall kann es hilfreich sein, die Lendenwirbelsäule zu mobilisieren und diese Muskulatur und das umliegende Gewebe damit zu aktivieren.

Stellen Sie sich schulterbreit hin, die Knie sind leicht gebeugt. Lehnen Sie sich so weit zur rechten Seite, wie es Ihnen angenehm ist. Arme, Kopf und Nacken lockerlassen. Führen Sie von der Lendenwirbelsäule ausgehend einen vorderen Halbkreis bis zur linken Seite durch. Richten Sie sich über die linke Seite wieder auf. Führen Sie die Bewegung über die linke Seite durch, lehnen Sie sich zur linken Seite, soweit es angenehm ist und führen Sie den vorderen Halbkreis zur rechten Seite durch.

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Anspannung des Tibialisnervs
Die Verzweigungen des Ischiasnervs heißen Tibialisnerv und Peroneusnerv. Um den Ischiasnerv zu entlasten, kann man also direkt über die Mobilisierung des Nervus tibialis gehen – auch bekannt als Schienbeinnerv.

Setzen Sie sich aufrecht hin und strecken Sie das betroffene Bein nach vorne auf dem Boden aus. Ziehen Sie den Fuß und die Zehenspitzen zu sich hin, Außenkante des Fußes anheben. Beugen Sie ihre Hüfte und danach die Wirbelsäule langsam ohne ruckartige Bewegungen Wirbel für Wirbel, vom Kopf angefangen nach vorne. Mobilisieren Sie den Nerv nun durch das langsame Lockerlassen des Knies und anschließend erneutes Durchdrücken des Knies. Gehen Sie langsam und gleichmäßig in diese Übung und hören Sie bei Schmerzen sofort auf.
Ist Ihnen diese Übung unangenehm, versuchen Sie es mit der folgenden Übung:
Entspannung des Tibialisnervs

Setzen Sie sich aufrecht hin und beugen Sie das betroffene Bein nach hinten. Stellen Sie den Fuß und die Zehenspitzen gebeugt ab. Heben Sie die Innenkante des Fußes an. Strecken Sie Ihre Wirbelsäule. Mobilisieren Sie den Nerv nun durch langsames Beugen und Strecken des Fußgelenks.
Aktivierungssequenz

Strecken Sie das schmerzende Bein aus dem neutralen Stand heraus nach hinten auf den Boden aus. Der Fußrücken ist locker auf einem Kissen oder Handtuch abgelegt. Benutzen Sie die Knie- und Fußposition, um eine Dehnungsmobilisierung direkt unterhalb des Schienbeins am Spann des Fußes zu erreichen. Ziehen Sie Ihr Schambein zu Bauchnabel hin. Spüren Sie die Anspannung im Gesäß und die Aktivierung der unteren Bauchmuskulatur? Dann ist es richtig!
Führen Sie nacheinander fünf Kniebeugen mit dem Vorderbein durch. Das betroffene Bein sollte durchgestreckt bleiben.
Dehnung des Piriformismuskels
Stellenweise wird der Ischiasnerv vom Piriformismuskels (Musculus piriformis) überdeckt. Dieser liegt verborgen unter dem Gesäßmuskel und verbindet Oberschenkelknochen und Kreuzbein. Eine Dehnung des Piriformis kann Schmerzen im Ischiasnerv deutlich lindern.

Für die Übung setzen Sie sich aufrecht hin und überschlagen das betroffene Bein über das gesunde. Der Unterschenkel sollte auf dem Knie liegen. Nun lehnen Sie sich mit dem Oberkörper langsam nach vorne, bis Sie eine Dehnung im Gesäß spüren. Mobilisieren Sie langsam die betroffene Stelle, indem Sie das Becken langsam und gleichmäßig nach vorne und hinten bewegen; kippen Sie in ein leichtes Hohlkreuz und ziehen dann das Schambein zum Bauchnabel.
Leiteratmung
Ausstrahlende Schmerzen führen oft zu Schonhaltungen. Atemübungen, die die beteiligte Muskulatur in Brust, Bauch, Rücken, Zwerchfell und Beckenboden gezielt entspannen, können diesen entgegenwirken. Denn nur Muskeln, die sich entspannen können, sind in der Lage, auch anzuspannen und können in der vorgesehenen Funktion wirken.

Die Leiteratmung kann im Stand oder sitzend ausgeführt werden. Legen Sie beiden Hände auf den Bauch und nehmen fünf tiefe Atemzüge durch die Nase in den Bauchraum. Legen Sie anschließend Ihre Hände auf die Rippenbögen und atmen Sie fünfmal tief durch die Nase ein und aus und versuchen Sie, die Atmung in die Rippenbögen zu leiten. Platzieren Sie die Hände auf die Brust und atmen Sie gleichmäßig tief durch die Nase ein und aus. In den Brustkorb atmen!
Bei akuten Ischiasschmerzen: Bauchraumatmung mit Widerstand

Beine in Rückenlage anstellen. Wenn es Ihnen angenehmer ist, können Sie die Beine auch in Stufenlagerung ablegen – beispielsweise auf einem Stuhl, Gymnastikball oder gestapelten Kissen. Atmen Sie ruhig und gleichmäßig in den Bauchraum. Wenn Ihnen die Bauchraumatmung schwerfällt, können Sie mit den Händen Druck auf den Bauchraum ausüben. Sie können sich auch einen Schal oder ein Tuch um den Bauch wickeln, um einen leichten Druck zu erzeugen. Alternativ können Sie sich ein schweres Buch auf den Bauch legen und mit der Atmung versuchen, das Buch zu bewegen.
Zur Person: Luise Walther ist Personal Trainerin in Berlin mit Schwerpunkt funktionelle Neurologie und neurozentriertes Bewegungstraining. Sie verfügt über Fachwissen in der Rehabilitation, Verletzungsprophylaxe sowie Performance-Steigerung.