
13. Mai 2025, 3:57 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Geschlängelte, bläulich gefärbte Beinvenen können ein Schweregefühl und Schmerzen in den Beinen verursachen. Schätzungsweise sind etwa 30 Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer von stark ausgeprägten Krampfadern betroffen. Neue Studien deuten darauh hin, dass sie Auswirkungen auf das Gehirn haben können und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen. Mindert die operative Entfernung von Krampfadern gar das Risiko für Demenz?
Das Gehirn ist auf eine konstante und ausreichende Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen durch das Blut angewiesen. Ist diese Versorgung gestört, etwa durch verkalkte oder verengte Blutgefäße (Arteriosklerose) oder Bluthochdruck, kann dies langfristig zu Schäden im Gehirngewebe führen. In der Vergangenheit haben einige Studien darauf hingedeutet, dass auch Krampfadern auf eine schlechte Durchblutung des Körpers hinweisen. Forschende aus Südkorea sind daher der Frage nachgegangen, ob ein Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von Krampfadern und dem Auftreten von Demenz besteht. Kann die Behandlung von Krampfadern das Risiko mindern, an Demenz zu erkranken?
Übersicht
- Was sind Krampfadern und warum sind sie so schädlich?
- Chronisch Venöse Insuffizienz beeinträchtigt das Gehirn
- Aktuelle Studie belegt Zusammenhang erstmals auf Bevölkerungsebene
- Studie mit 400.000 Teilnehmern: Wer Krampfadern hat, erkrankt häufiger an Demenz
- Welche Bedeutung die Studie hat – und welche Einschränkungen
- Quellen
Was sind Krampfadern und warum sind sie so schädlich?
Krampfadern (medizinisch: Varizen) sind krankhaft erweiterte, meist oberflächlich verlaufende Beinvenen, die durch einen Blutstau infolge geschwächter Venenklappen entstehen. Varizen verursachen häufig Symptome wie ein Schweregefühl in den Beinen (besonders nach langem Sitzen oder Stehen), ein Spannungs- und Druckgefühl in den Waden, Ödeme sowie sichtbare, geschlängelte oder bläulich verfärbte Venen. Im Tagesverlauf nehmen die Beschwerden meist zu.
Laut der Bonner Venenstudie aus den Jahren 2002/2003 leiden etwa 60 Prozent der erwachsenen Frauen und 58 Prozent der Männer an Besenreisern, einer leichten Form von Venenveränderungen.1 Etwa 15 Prozent der Frauen und 12 Prozent der Männer sollen von einer klinisch relevanten Varikose betroffen sein. Die Prävalenz von Krampfadern nimmt mit dem Alter zu, Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Das Problem: Varizen sind Ausdruck einer chronischen venösen Insuffizienz. Dabei fließt das Blut aus den Beinen nicht mehr effizient zum Herzen zurück. Dadurch steigt der venöse Druck dauerhaft an, was Gefäßwände und Gewebe schädigt. Neben Varizen zählen übrigens Venenentzündungen, Thrombosen und generell Bewegungsmangel, langes Sitzen oder Stehen, Übergewicht oder eine Schwangerschaft zu weiteren Ursachen einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI). Das Problem: Die Funktionsstörung in den Venen entwickelt sich schleichend und verschlechtert sich ohne Behandlung oft über Jahre hinweg.
Chronisch Venöse Insuffizienz beeinträchtigt das Gehirn
Lange war die CVI hauptsächlich als Problem der Beinvenen bekannt – man bekommt eben unschöne Krampfadern. Dass CVI jedoch nicht nur die Beine, sondern auch das Gehirn beeinflussen könnte, zeigt neuere Forschung. Es gibt Hinweise darauf, dass eine CVI – und damit Varizen – zu Schäden im Gehirngewebe führen kann, indem sie Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem haben könnte.
Ein zentraler Impuls kam durch Forschung zur sogenannten chronisch-zerebrospinalen venösen Insuffizienz (CCSVI). Anish Kapadia und Adam Dmytriw vom Department of Medical Imaging am Sunnybrook Health Sciences Centre der University of Toronto brachten 2021 eine gestörte Hirnvenenentleerung mit Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Demenz in Verbindung.2 2022 bestätigte eine Studie die Bedeutung von Veränderungen des Venensystems für die Entstehung von Läsionen der weißen Substanz im Gehirn, die häufig im Alter beobachtet werden.3 Die weiße Substanz ist unter anderem für die Informationsübertragung zwischen den Hirnregionen zuständig. Läsionen stehen in Zusammenhang mit kognitiven Einschränkungen und Demenz.
Aktuelle Studie belegt Zusammenhang erstmals auf Bevölkerungsebene
Mit der Forschungstarbeit von Ho Geol Woo und seinem Team vom Department of Neurology am Kyung Hee University College of Medicine in Seoul wird dieser Zusammenhang nun erstmals auf Bevölkerungsebene belegt. Die Fachzeitschrift „Plos One“ veröffentlichte das Studienergebnis.4
Woos Untersuchung basiert auf Daten aus dem südkoreanischen NHIS-HEALS-Register, das rund zehn Prozent der nationalen Versichertenpopulation abdeckt. Eingeschlossen wurden 396.767 Personen ab 40 Jahren, die zwischen 2005 und 2010 an einem staatlichen Gesundheitscheck teilgenommen hatten. Personen mit bereits diagnostizierter Demenz wurden ausgeschlossen und zahlreiche Risikofaktoren berücksichtigt. Als Krampfadern galten mindestens zwei ärztlich dokumentierte Diagnosen; gleiches galt für Fälle von Demenz.
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Studie mit 400.000 Teilnehmern: Wer Krampfadern hat, erkrankt häufiger an Demenz
5096 (1,3 Prozent) der 396.767 Teilnehmer hatten Krampfadern. 55.329 Personen (13,9 Prozent) entwickelten während des Studienzeitraums eine Demenz, darunter 38.673 Alzheimer-Fälle (9,7 Prozent) und 15.013 Fälle vaskulärer Demenz (3,7 Prozent). Das wichtigste Ergebnis: Personen mit Krampfadern hatten ein um 23,5 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, später eine Demenzdiagnose zu erhalten, als solche ohne Krampfadern. Die Krampfadern waren nicht mit einer einzelnen, sondern sämtliche Formen von Demenz assoziiert. Besonders auffällig war der Zusammenhang bei Männern, Rauchern und starkem Alkoholkonsum.
Prävention möglich!
Bemerkenswert: Die Studie ergab außerdem, dass Patienten, deren Venen behandelt wurden, mit 43 Prozent geringerer Wahrscheinlichkeit an vaskulärer Demenz erkrankten als Patienten ohne Krampfadern-Behandlung.
Wann man Krampfadern entfernen lassen sollte und welche Möglichkeiten es dafür gibt, lesen Sie hier.

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Welche Bedeutung die Studie hat – und welche Einschränkungen
Besonders die Erkenntnis, dass eine Behandlung der Krampfadern mit einem deutlich reduzierten Wahrscheinlich, eine vaskuläre Demenz zu entwickeln, assoziiert war, eröffnet neue Perspektiven für die Prävention. Wenn venöse Erkrankungen frühzeitig erkannt und behandelt werden, könnte das potenziell auch Langzeitfolgen für die geistige Gesundheit reduzieren.
Die Studie, die auf Diagnosen von ärztlichen Abrechnungsdaten und Medikamentenverordnungen basiert (und nicht auf neurologischen Tests oder Bildgebung), weist leichte Einschränkungen auf. So konnten in der Datenbank weder die Schwere der Krampfadern noch die genetischen Prädispositionen oder das Bildungsniveau abgebildet werden. Auch das sind Faktoren, die das Demenzrisiko beeinflussen können. Zudem ist die Übertragbarkeit ausschließlich südkoreanischer Probanden auf andere Bevölkerungsgruppen eingeschränkt. Und: Der Anteil der Personen mit Krampfadern war mit 1,3 Prozent relativ gering. Dennoch liefert diese Studie robuste Hinweise auf einen bislang wenig beachteten Zusammenhang: Krampfadern könnten mit einem erhöhten Risiko für Demenz verbunden sein.