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Mit Vorurteilen aufräumen

Was bedeutet es eigentlich, wenn jemand asexuell ist? 

Asexuell
Asexualität zeigt sich auf vielfältige Weise: Manche Menschen genießen körperliche Nähe wie Kuscheln oder Küssen oder befriedigen sich selbst – andere fühlen sich wohler, wenn sie vollständig auf intime Berührungen verzichten. Foto: Getty Images
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FITBOOK Redaktion

10. Juni 2025, 11:06 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Sex, Liebe, Verliebtheit – was für viele selbstverständlich zusammengehört, bleibt manchen Menschen fremd. Asexualität bedeutet jedoch nicht Gefühlskälte, sondern eine andere Form der Selbstwahrnehmung. Wer asexuell ist, kann dennoch lieben, Nähe genießen – und eine erfüllte Beziehung führen.

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Rund ein Prozent der Menschen in Deutschland ist asexuell. Asexualität ist vielfältig, wird aber oft missverstanden. Was Betroffene erleben, wie sie lieben – und warum Aufklärung wichtig ist.

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Wie sich Asexualität anfühlen kann

Evelyne Aschwanden hat lange gewartet – auf Verliebtheit, sexuelle Anziehung, auf dieses eine, alle mitreißende Gefühl. Sie spürte in sich hinein, suchte nach Schmetterlingen im Bauch. Doch da war nichts. Evelyne Aschwanden ist asexuell und aromantisch.

„Was stimmt nicht mit mir?“, fragte sie sich, als sie sah, wie ihre Schulfreundinnen und -freunde erste Liebesbeziehungen führten, sich verliebten, völlig hingerissen waren.

Sie selbst fand das übertrieben – wollte aber dazugehören. Also ließ sie sich auf einen Jungen ein. „15 Jahre alt waren wir“, sagt sie. „Er war in mich verliebt.“ Ihre Freundinnen drängten sie zur Beziehung. „Ich fand ihn toll“, erinnert sich Evelyne Aschwanden. „Aber dieses Gefühl kam nicht von tief innen.“ Als sie merkte, dass sie ihm nicht geben konnte, was er sich wünschte, trennte sie sich – und fühlte sich befreit.

Ein paar Dates hatte sie danach zwar noch, aber eine feste Beziehung kam nie zustande. Auch Sex hat Aschwanden nie ausprobiert. Es fehlt ihr nicht, sagt sie. „Meine Abneigung gegen Sex und Romantik ist ein tief in mir verankertes Gefühl. Es gehört zu mir.“ Evelyne Aschwanden ist asexuell und aromantisch.

Asexualität ist mit vielen Vorurteilen verbunden

Asexualität – ein Thema, beladen mit Vorurteilen. „Du musst nur die richtige Person kennenlernen“, „Das ist eine Störung, lass dich behandeln“, „Du bist doch einfach nur frustriert und findest keinen Partner“ – das sind Sätze, die Evelyne Aschwanden auf ihrem „Instagram“-Account findet, auf dem sie offen von sich erzählt. „Nichts davon ist wahr“, sagt sie.

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Eine allgemeingültige Definition gibt es nicht

Asexualität wird meist als sexuelle Orientierung verstanden. Sie beschreibt Menschen, die keine oder nur sehr geringe sexuelle Anziehung gegenüber anderen empfinden. Die individuelle Ausprägung kann jedoch sehr unterschiedlich sein.

„Manche Menschen fühlen sich von Geschlechtsverkehr abgestoßen, kuscheln oder küssen aber gerne“, sagt Irina Brüning, Vorstandsmitglied des Vereins AktivistA. „Manche befriedigen sich selbst oder stehen dem Thema Sex einfach gleichgültig gegenüber.“ Allen sei gemeinsam, dass Geschlechtsverkehr für sie nicht notwendig sei, um Liebe auszudrücken.

Eine einheitliche Definition von Asexualität gebe es nicht, sagt Brüning. Sie bezeichnet Asexualität sinngemäß als „sexuelle Orientierung nach nichts“. Zwei Beschreibungen hätten sich etabliert: „Viele sagen, dass sie keine sexuelle Anziehung gegenüber anderen empfinden“, sagt Brüning. „Andere drücken es lieber so aus, dass sie kein Verlangen nach sexueller Interaktion haben.“

Asexuell oder einfach nur lustlos?

Sexualität ist in der Öffentlichkeit ständig präsent – in Filmen, in Gesprächen, auf Social Media. Doch nicht jeder kann damit etwas anfangen. Wer nie sexuelles Verlangen spürt, fragt sich vielleicht: Ist das Asexualität – oder nur eine Phase?

Der Psychologe Robert Coordes erklärt, dass sich Asexualität daran erkennen lasse, dass Betroffene weder sexuelle Lust verspüren noch Fantasien oder Tagträume in dieser Richtung haben. Das Wort „a-sexuell“ bedeute wörtlich „ohne Sexualität“. Asexualität werde überwiegend als sexuelle Orientierung verstanden – nicht als Störung, solange kein Leidensdruck vorliege.

Im Gegensatz dazu könne Lustlosigkeit auch vorübergehend sein – etwa durch Stress, Krisen oder gesundheitliche Belastung. Asexuelle Menschen hingegen empfänden dauerhaft keine oder nur sehr geringe sexuelle Anziehung – unabhängig von äußeren Faktoren. Das unterscheide Asexualität von einer vorübergehenden Inappetenz. Coordes betont zudem, dass asexuelle Menschen durchaus Nähe wünschen können und liebevolle, romantische Beziehungen führen.

Asexualität ist keine Störung

Aber woher kommt das sexuelle Desinteresse an anderen Menschen? Eine Erklärung dafür gibt es nicht, sagt Prof. Johannes Fuß, Direktor am Institut für Forensische Psychiatrie und Sexualforschung der Universität Duisburg-Essen.

Wichtig sei aber, dass Asexualität keine Störung und nicht behandlungsbedürftig sei. „Asexuelle verspüren aufgrund ihrer Orientierung in der Regel keinen Leidensdruck. Und wo kein Leid ist, müssen wir nicht behandeln“, sagt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Eine Störung liege eher im Umfeld, das häufig noch zu wenig über Asexualität wisse und Betroffene oft stigmatisiere oder unter Druck setze.

Austausch mit anderen asexuellen Menschen ist wichtig

Rund ein Prozent der Deutschen fühlt sich laut Schätzungen dem asexuellen Spektrum zugehörig – entsprechend gering sei die Aufklärung, sagt Irina Brüning vom Verein AktivistA. Sie wünscht sich mehr Sichtbarkeit, damit gerade junge Menschen Erklärungen und Anschluss zu anderen asexuellen Menschen finden.

Beratung und Austausch können Betroffene finden in der WhatsApp-basierten Community „Ameisenbären – Community für das asexuelle und aromantische Spektrum“. Zu finden ist sie über die angeschlossene, gleichnamige Facebook-Seite. Auch Aspec*german ist Anlaufstelle für Interessierte, genauso wie der Verein AktivistA.

Mehr über Lust und Unlust sprechen

„Mit einer entsprechenden sexuellen Aufklärung könnten wir es jungen Leuten leichter machen, sich selbst zu finden“, sagt Johannes Fuß. Eine Möglichkeit sei es, im Rahmen des Sexualkundeunterrichts auch über Lust und Unlust zu sprechen.

Asexualität in einer Beziehung

Eine Beziehung ohne Sex könne natürlich auch Schwierigkeiten bereiten, sagt Irina Brüning vom Verein AktivistA. „Wenn der eine will und der andere nicht, muss man Wege finden.“ Viele asexuelle Menschen, die romantisch veranlagt sind, fänden häufig Kompromisse innerhalb ihrer Beziehung. Oder: Sie suchten sich von vornherein einen ebenfalls asexuellen, aber romantischen Partner.

Coordes betont, dass Asexualität nicht gleich Beziehungsunfähigkeit bedeutet. Viele Menschen, die kein Interesse an Sex haben, führen – wie schon gesagt – sehr liebevolle, stabile und verbindliche Partnerschaften. Wenn beide Partner ähnliche Bedürfnisse haben, sei das in der Regel unproblematisch.

Offene Kommunikation ist wichtig

Schwieriger werde es, wenn die Vorstellungen über Sexualität auseinandergehen. Dann müsse offen kommuniziert und verhandelt werden – ohne Druck oder Schuld. Auch alternative Formen der Intimität, bewusst vereinbarte Nähe oder alternative Beziehungsmodelle könnten helfen.

Grundsätzlich gelte: Eine Beziehung muss nicht scheitern, nur weil die sexuelle Anziehung unterschiedlich ist. Aber sie braucht Offenheit, Kommunikation – und die Bereitschaft beider, tragfähige Lösungen zu finden.

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Asexualität und Kinderplanung

Kinderplanung – auch das sei ein Thema, mit dem hauptsächlich asexuelle Frauen immer wieder konfrontiert würden, sagt Irina Brüning. „Nur weil Menschen sich sexuell nicht zu anderen hingezogen fühlen, können sie trotzdem eine Familie gründen.“ Das sei beispielsweise bei asexuellen Menschen der Fall, die in einer Beziehung seien und zwecks Familienplanung Sex haben.

*Mit Material von dpa

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