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Nachgefragt beim Experten

Was ist eigentlich der „Schubladentest“?

Arzt macht Schubladentest
Mit dem Schubladentest wird gecheckt, ob das Kreuzband gerissen ist. Foto: iStock/ Jan-Otto

Im Endspiel der Fußball-EM zwischen Italien und England konnte man sehen, wie der italienische Teamarzt beim Spieler Jorginho einen sogenannten „Schubladentest“ durchführte. Der Test mit dem etwas schrägen Namen ist eine gängige Methode, um einen Kreuzbandriss festzustellen bzw. auszuschließen. FITBOOK hat bei einem Experten nachgefragt, was es damit auf sich hat.

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Mit fachlicher Beratung von
Enrico Zessin, Arzt in Weiterbildung für Innere Medizin und Sportmedizin, Verbandsarzt Deutscher Leichtathletik Verband und Diplom-Molekularbiologe

Der Kreuzbandriss ist einer der häufigsten Sportverletzungen – insbesondere bei Ballsportarten wie Fußball, Skifahren oder auch Kampfsportarten. Die Ruptur sollte so schnell wie möglich diagnostiziert werden. Bleibt sie zu lange unentdeckt, kann es bei Betroffenen zu schwerwiegenden Schäden am Knie kommen, die langwierige Folgen haben. Um das zu vermeiden, wird als schnelle diagnostische Methode der Schubladentest durchgeführt. Wie funktioniert’s?

Schubladentest bei Verdacht auf Kreuzbandriss

Die Kreuzbänder verbinden den Oberschenkelknochen und das Schienbein im Inneren des Knies miteinander. Laut Mediziner Enrico Zessin kann mithilfe eines Schubladentestes die Stabilität der vorderen und hinteren Kreuzbänder untersucht werden. „Die Kreuzbänder sind Bandstrukturen innerhalb des Kniegelenks, die das Verschieben des Knies nach vorne bzw. hinten einschränken. Ist eines, oder seltener beide, dieser Bänder durch ein Trauma gerissen, so ist die beschriebene Einschränkung nicht mehr gegeben.“ Bleibt der Riss lange unentdeckt, kann es zu Knorpelschäden und Arthrose im Knie kommen.1

Durch einfache Handgriffe kann mit dem Schubladentest der Verdacht auf einen Kreuzbandriss in vielen Fällen be- oder entkräftet werden: „Durch den Schubladentest kann man dann das Knie abnormal nach vorne (Riss des vorderen Kreuzbandes) oder nach hinten (Riss des hinteren Kreuzbandes) verschieben.“ Außerdem gibt es den noch etwas spezifischeren „Lachmanntest“. Bei diesem wird die Rückseite des Knies ertastet, während das Gelenk bewegt wird. Wenn eine Verletzung vorliegt, fühlen sich die Bänder matschig an.2

Wie funktioniert der Schubladentest?

Beim Schubladentest muss der Patient sein Knie zunächst in 90-Grad-Stellung halten. Das gebeugte Knie wird am Unterschenkel vom behandelnden Arzt mit beiden Händen so umfasst, dass die Zeigefinger in der Kniekehle des Patienten liegen. Der Unterschenkel, also das Schienbein, wird dann nach vorne oder hinten gedrückt. Wenn sich der Unterschenkel ähnlich wie eine Schublade verschieben lässt, kann ein Kreuzbandriss vorliegen. Durch dieses Schubladenphänomen erhielt der Test auch seinen Namen.3,4

Kann man den Unterschenkel nach vorne verschieben, ist vermutlich das vordere Kreuzband geschädigt. Wenn man den Unterschenkel nach hinten verschieben kann, ist das hintere Kreuzband verletzt. Laut Experte Enno Zessin müsste aber die genaue Abklärung der Knieschädigung in der Regel dann noch mittels MRT oder Arthroskopie erfolgen.

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Kann jeder einen Schubladentest durchführen?

Als Laie sollte man diesen Test laut dem Experten nicht machen. „Der Test sollte immer durch eine erfahrene oder geschulte Person durchgeführt werden. Die richtige Durchführung und auch Interpretation des Ergebnisses bedarf einer entsprechenden Erfahrung, damit keine Fehldiagnose gestellt wird und gegebenenfalls andere Folgeschäden vermieden werden können.“

Hintergrund: Persönliche Erfahrung des Schubladentests
„Während meiner Profi-Karriere als Skirennfahrerin habe ich insgesamt drei Kreuzbandrisse erlitten – einmal nach einem Sturz, beim zweiten Mal habe ich es gar nicht gemerkt (die Ruptur wurde erst im Zusammenhang mit einer anderen Knieverletzung zufällig festgestellt), beim dritten Mal eine harte Landung nach einem Sprung ins Flache. Daher kenne ich den Schubladentest leider nur zu gut. Ich bin zwar noch selbst die Piste runtergefahren ist, aber dann mit einem unguten Gefühl beim Physiotherapeuten im Hotel auf der Liege gelegen. Der Schubladentest ist eigentlich nicht schmerzhaft (es sei denn, auch Menisken, Knorpel, etc. wurden verletzt), aber ein ziemlich unangenehmes Gefühl, wenn das Knie keinen festen „Anschlag“ mehr hat. In einer solchen Situation lässt man freiwillig keinen Unerfahrenen zum Test ans Knie. Außerdem kann man bei falscher Anwendung den Schubladentest auch durch Anspannen der Beinmuskulatur torpedieren. Da kann jemand noch so sehr versuchen, den Unterschenkel nach vorne oder hinten zu schieben, wenn man ordentlich dagegen hält. Fachleute wissen das – und unterbinden es. Allerdings kann durch das Trauma auch ein unterbewusst erzeugter Muskeltonus herrschen, der ebenfalls kein eindeutiges Testergebnis ermöglicht. Dann ist zur Diagnose ein MRT ebenfalls unumgänglich. Umso schöner ist es, wenn der Schubladentest nach einer erfolgreichen Operation und anschließender Reha durchgeführt wird. Beim heftigen Schieben und Ziehen kommt es zu einem deutlich spürbaren Anschlag. Klare Sache – das neue Kreuzband hält! Ein Traum!“
Alexandra Grauvogl, Redaktionsleiterin FITBOOK

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Fazit: Effiziente Maßnahme zur Erstdiagnose

Bei einem Verdacht auf einen Kreuzbandriss bietet der Schubladentest geschulten Personen also eine erste Möglichkeit, eine Kreuzbandverletzung zu erkennen. Im Anschluss sollten dann aber noch weitere medizinische Tests folgen, um die Diagnose zu bestätigen – und über die optimale Behandlung zu entscheiden.

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Quellen

Themen Verletzungen
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