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Studie

Schlechtes Kurzzeitgedächtnis? Vielleicht haben Sie zu wenig Stress

Mann mit Stress
Laut einer Studie kann Stress die Gedächtnisleistung fördern – wenn er ein moderates Maß nicht überschreitet Foto: Getty Images
Laura Pomer
Laura Pomer

25.11.2022, 04:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Stress wird gemeinhin mit negativen Folgen für die Gesundheit assoziiert. Doch laut einer aktuellen Studie kann er sich vorteilhaft auf die Gehirnfunktion auswirken, genauer: auf die Gedächtnisleistung. Dies soll zumindest dann gelten, wenn der Stress ein moderates Maß nicht überschreitet. FITBOOK erklärt es genauer.

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Die Auswirkungen von Stress auf die kognitiven Funktionen seien „möglicherweise nicht linear“, steht in der Einleitung einer aktuell in der Fachpresse erschienen Studie des College of Family and Consumer Sciences.1 Denn die möglichen negativen Folgen von konstanter Stresseinwirkung seien wissenschaftlich hinreichend belegt. Daneben gebe es aber auch Untersuchungen, deren Ergebnisse eine förderliche Wirkung von Stress auf die Gedächtnisleistung nahelegten. Hierzu zählt demnach auch die aktuelle.

Stress kann die Gedächtnisleistung verbessern

„Unsere Ergebnisse zeigen eine erhöhte neuronale Aktivierung des Arbeitsgedächtnisses durch leichten bis mäßigen Stress, was zu einer besseren geistigen Leistungsfähigkeit führt“, erklärt Studienleiter Assaf Oshri. Das sogenannte Arbeitsgedächtnis ist verantwortlich für das kurzfristige Speichern von Informationen, um diese für das Langzeitgedächtnis nutzbar zu machen.

Der Uniprofessor ist den womöglich positiven Effekten von Stress schon länger auf der Spur. Er verfolgt dabei Grundlagen des Hormetic Dose-Response Model, welches auch einige seiner Kollegen in ihren Arbeiten berücksichtigen.2 Dem zufolge können moderate Mengen von Gift (in diesem Fall Stress) die Anpassungsfähigkeit von Organismen erhöhen, wobei die tatsächliche Toxizität erst ab einem gewissen Schwellenwert entsteht /zunimmt. Oshri selbst will in einer Untersuchung aus dem Juli aufgezeigt haben, dass ein moderater Stresspegel sich günstig auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken kann.3 Ein moderater Stresspegel verhelfe Betroffenen zu mehr Resilienz – dadurch seien sie weniger gefährdet, Verhaltensauffälligkeiten oder psychische Störungen bzw. Erkrankungen zu entwickeln. Die vorliegende Untersuchung knüpfte an die Erkenntnisse von damals an.

Ablauf der Untersuchung

Nach eigenen Angaben arbeiteten die Forscher für ihre Untersuchung mit 1000 Frauen und Männer verschiedener ethnischer Zugehörigkeiten aus dem Human Connectome Project, einem Förderprogramm zur Erforschung der menschlichen Nervenverbindungen. Die Probanden sollten vorab Angaben zu ihrem persönlichen Stressempfinden machen. Weiterhin habe das Team ihnen „codierte“ Fragen gestellt, aus deren Antworten sie selbst Rückschlüsse auf das Stressaufkommen zogen. Zuletzt berücksichtigten sie auch Aussagen der Probanden zu deren sozialer Eingebundenheit. Hierbei ging es vor allem darum, wie verstanden und unterstützt sie sich von ihrem familiären und privaten Umfeld fühlten.

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Zur Überprüfung der Gedächtnisleistung bekamen die Probanden mehrere Bilder präsentiert, auf denen jeweils Gesichter oder verschiedene Gegenstände zu sehen waren. Später mussten sie dann beantworten, welcher der Bilder sie wiedererkannten, sprich bereits gesehen hatten, und welche nicht. Per MRT-Scans konnten die Forscher beurteilen, wie stark die neuronale Aktivierung der relevanten Gehirnregionen bei den Probanden war, während sie die Aufgaben absolvierten.

Ergebnis: moderater Stress, besseres Kurzzeitgedächtnis

Es zeigte sich: Diejenigen Probanden, die sich selbst als leicht bis mäßig gestresst bezeichnet hatten, wiesen eine höhere Aktivität in den relevanten Hirnregionen auf und schnitten auch in den Gedächtnistests besser ab. Dabei seien diejenigen, die sich sozial eingebunden fühlten, besonders positiv hervorgestochen. Das eine dürfte untrennbar mit dem anderen zusammenhängen: „Man braucht die nötigen Mittel, um gestärkt aus Widrigkeiten und Stress hervorgehen zu können“, erklärt Oshri. So könne es ohne sozialen Verbund, also ohne eine Rückendeckung durch Familie und Freunde, deutlich schwerer sein, von Stress zu profitieren.

Dauerhafter und hoher Stress verdrängt graue Hirnsubstanz

Der Studienleiter betont noch einmal, dass allenfalls mäßiger Stress entsprechend positive Auswirkungen haben können. Dauerhafter und hoher Stress dagegen könnte zu einer Vermehrung der weißen Hirnmasse führen, die dadurch die (wichtige) graue Hirnsubstanz verdrängt. Darüber hinaus mache chronischer Stress die Betroffenen anfälliger für verschiedene körperliche Erkrankungen.

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Zur Einordnung der Erkenntnisse

Die Untersuchung behandelte den wahrgenommenen Stress der Probanden. Objektive Parameter, etwa der Ausstoß an Stresshormonen wie Cortisol, wurden dabei nicht berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigt daher vor allem die Bedeutung des individuellen Stressempfindens auf, welches offenbar in erster Linie in der Erziehung und durch das soziale Umfeld geprägt wird.

Eine weitere Studie aus der jüngeren Vergangenheit, die sich mit der Gedächtnisleistung befasste, kam zu einem anderen Ergebnis. Hier zeigte sich, das zu Neurotizismus neigende Menschen – diese sind oft nervös, angespannt und ängstlich – gemeinhin vergesslicher sind. Denn der psychische Stress könnte „diejenigen Teile des Nervensystems belasten, die für die episodische Gedächtnisleistung zuständig sind“. Lesen Sie mehr dazu hier.

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Quellen

Themen: #noom Stress
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