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Notarzt erklärt

Ins Eis eingebrochen – wie lange hält man durch und was läuft im Körper ab?

ins Eis eingebrochen
15 Zentimeter dick muss es sein, damit es trägt: Diese Eisfläche hätte wohl keine Behörde mehr zum Begehen freigegeben Foto: iStock/SasinParaksa
Anna Echtermeyer
Redakteurin

12.02.2021, 14:12 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Als erstes kommt es zu einer massiven Kreislaufbelastung, dann kann man sich nicht mehr bewegen. Höchstens 15 Minuten bleiben einem Mensch nach einem Eiseinbruch, bis er handlungsunfähig ist. Ertrinkt man im Eiswasser, hat die Kälte eine gewisse Schutzfunktion.

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Angesichts der eisigen Temperaturen kommen viele Menschen auf die Idee, zugefrorene Seen und Gewässer zu betreten. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe warnt vor der Gefahr: „Oft kann man nicht sehen, wie dick das Eis ist und es besteht die Gefahr, dass man einbricht und ertrinkt.“ Betreten solle man Eisflächen erst ab einer Dicke der Eisschicht von 15 Zentimetern. In der Regel gäben die örtlichen Behörden die Eisflächen frei. Dennoch: Dass jemand ins Eis eingebrochen ist und gerettet werden musste, hört und liest man immer wieder.

Als Notfallmediziner wurde Dr. Florian Reifferscheid schon häufiger und „in verschiedenen Varianten“ zu entsprechenden Unfällen gerufen. Er ist Notarzt in der Luftrettung und Vorsitzender der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands (BAND).

Was passiert, wenn man ins Eis eingebrochen ist und Wasser eingeatmet hat?

Bricht man ins Eis ein, taucht mit dem Kopf unter und atmet Wasser ein, sei zunächst ein Stimmritzenkrampf, Laryngospasmus genannt, sehr wahrscheinlich. „Die Stimmbänder verschließen sich und man bekommt keine Luft mehr“, erklärt Reifferscheid. In der Fachsprache ist von „trockenem Ertrinken“ die Rede. Dabei funktioniere die Atmung nicht mehr, obwohl das Wasser noch gar nicht die Lunge erreicht hat. Ist man alleine bzw. konnte man bis zu diesem Zeitpunkt nicht auf sich aufmerksam machen, sinken die Überlebenschancen rapide.

Kälteschock – der Blutkreislauf zentralisiert

Gleichzeitig wird die Belastung des Herzens durch den Kälteschock zum Problem: „Die Körpertemperatur bleibt nur für einen kurzen Moment normal“, erläutert der Mediziner. Innerhalb weniger Minuten würden die Gefäße so enggestellt, dass der Körper den Blutkreislauf zentralisiert. Die Versorgung der Extremitäten wird eingestellt, das Herz stark belastet. „Gerade ältere Personen laufen hier Gefahr, binnen Minuten ein Herzversagen zu erleiden“, erklärt der Notfallmediziner. „Aber natürlich kommt es auch darauf an, wie gesund die Person vorher war.“ Das Zeitfenster bis zur Handlungsunfähigkeit beziffert der Mediziner mit „maximal 15 Minuten“.

Zentralisierung bzw. Zentralisation ist ein typischer Vorgang im Rahmen eines Schocks. Bei zu geringer Blutmenge verteilt der Körper das zirkulierende Blut von der Körperferne (Extremitäten) auf lebenswichtige Organe (Herz, Gehirn). Er tut dies, indem er Katecholamine ausschüttet – die wichtigsten sind Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin.

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Körperkerntemperatur unter 30 Grad – das Herz hört auf zu schlagen

Faktor Kerntemperatur: Das Wasser unter einer Eisdecke hat etwa ein bis zwei Grad Celsius, das dürften viele noch aus dem Chemieunterricht wissen. Je schneller der Körper damit in Berührung kommt, desto schneller kühlt man aus. Sinkt die Körperkerntemperatur unter 30 Grad Celsius, hört das Herz auf zu schlagen, erklärt Reifferscheid. Dicke Kleidung, am besten in mehreren Schichten und wasserabweisend, könne den Vorgang nicht aus- aber zumindest etwas abbremsen. Und natürlich spielt hier die Frage rein: Ist der Kopf trocken geblieben oder untergetaucht? Bekanntermaßen verliert man über diesen besonders viel Wärme.

Was passiert, wenn man unter die Eisfläche geraten ist?

Aber was, wenn man nicht nur ins Eis eingebrochen ist, sonder darin auch ertrinkt? Beispielsweise wenn man unter die Eisfläche geraten ist – und die Orientierung nicht reicht, um das Loch, durch das man eingebrochen ist, wiederzufinden? „Es gibt eine kurze Phase, in der der Sauerstoffmangel groß ist und die Körpertemperatur noch normal ist“, erklärt Reifferscheid. So erstaunlich es klingen mag: Für das Gehirn habe die Kälte eine gewisse Schutzfunktion. Ein Umstand, den man sich zum Beispiel auch bei Herzoperationen zu Nutze macht, bei denen der Körper auch entsprechend heruntergekühlt wird, um die Hypoxietoleranz etwas zu erhöhen.

Der Sauerstoffbedarf und die Durchblutung des Gehirns sind hoch. Je höher die Hypoxietoleranz, desto länger kann das Gehirn eine Unterbrechung der arteriellen Sauerstoff- und Glokosezufuhr tolerieren.

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Kreislaufstillstand aufgrund von Kälte – Vorteil bei der Wiederbelebung

„Durch die Kälte steigt – nach einer erfolgreichen Wiederbelebung – die Wahrscheinlichkeit, das Ganze ohne neurologische Schäden zu überstehen.“ Und zwar deutlich gegenüber dem Ertrinken im warmen Wasser oder wenn man einen Herz-Kreislaufstillstand unter normalen Bedingungen erleidet, so der Mediziner. Mit anderen Worten: Der Kreislaufstillstand aufgrund von Kälte hat, wenn man so will, einen gewissen Vorteil. Das sei auch der Grund, weshalb man Menschen, die im Eiswasser ertrunken sind, immer so lange reanimiere, bis sie wieder eine normale Körpertemperatur haben. Reifferscheid berichtet von seltenen Fällen, in denen Eiswasserertrunkene auch nach ein bis zwei Stunden im Wasser noch überlebt hätten. Natürlich nur durch Wiederbelebung und intensivmedizinische Behandlung.

Für die Betroffenen am besten ist es natürlich, wenn jemand den Unfall beobachtet hat und direkt einen Rettungsversuch machen kann – etwa, indem man einen Gegenstand hinterherwirft, an dem sich der/die Eingebrochene festhalten und rausziehen kann. „Allerdings kann von dieser Person nicht erwartet werden, dass sie sich selbst in Gefahr bringt. Was Sie zumindest tun müssen: den Rettungsdienst alarmieren und umgehend den Notruf 112 wählen.“

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Und sollten Sie selbst einmal in diese Situation geraten, haben wir hier noch die Tipps der Wasserwacht Bayern zusammengefasst:

  • Auch wenn es schwer fällt: Ruhe bewahren
  • Rufen Sie laut um Hilfe und machen auf sich aufmerksam
  • Zappeln Sie nicht wild herum, da der Körper bei Bewegung schneller auskühlt
  • Kommen Sie keinesfalls unter das Eis. Sie verlieren schnell die Orientierung
  • Versuchen Sie, sich am Rand der Bruchstelle festzuhalten und – wenn möglich – auf dickeres Eis hochzuziehen
  • Bricht das Eis weiter beim Versuch, darauf zu klettern, arbeiten Sie sich langsam Richtung Ufer vor, indem Sie mit Ellenbogen oder Fäusten die Eisfläche zerschlagen – bis zum Ufer oder bis Sie aufs Eis klettern können
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