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Auswirkungen von Dauerstress

Greifen Überstunden das Gehirn an? Neue Studie zeigt messbare Veränderungen

Verändertes Gehirn durch Überstunden
Eine Studie zeigt erstmals, dass Überstunden physische Auswirkungen auf das Gehirn haben können Foto: Getty Images

16. Mai 2025, 13:21 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Haben Sie nach einem langen und anstrengenden Tag manchmal das Gefühl, dass Ihnen der Kopf raucht? Womöglich ist das mehr als nur ein geläufiges Sprachbild. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass dauerhafter Stress durch zu viel Zeit am Arbeitsplatz zu erheblichen strukturellen Veränderungen im Gehirn führen kann. Erfahren Sie mehr darüber bei FITBOOK.

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Arbeit muss nicht automatisch Stress bedeuten. Kann sie aber. FITBOOK berichtete über eine Studie, die zeigte, welche Rückschlüsse sich aus der Art des Tippens am Computer oder der Bewegung der Maus auf das Stresslevel einer Person ziehen lassen.1 Und immerhin definiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Erschöpfungszustand Burn-out als ein „Syndrom, das infolge von chronischem Stress am Arbeitsplatz auftritt“.2 Dass jenes Burn-out-Syndrom zu Veränderungen im Gehirn führen kann, gilt inzwischen als wissenschaftlich belegt.3 Doch womöglich entstehen Schäden nicht erst im Krankheitsfall, sondern bereits durch ein Übermaß an Zeit am Arbeitsplatz. Eine koreanische Studie, die den Effekt von Überstunden auf die Struktur des Gehirns untersuchte, legt genau das nahe.4

Studie zum Effekt von Überstunden auf das Gehirn

Verhaltensbezogene und psychologische Folgen von Überarbeitung seien inzwischen gut dokumentiert, schreiben die Autoren in ihrer Studie einleitend. Doch über die unmittelbaren Auswirkungen dieser Form von Stress auf die Gehirnstruktur sei noch wenig bekannt. Ziel der Studie war, erstmals neurobiologische Daten zur Wirkung langer Arbeitszeiten zu liefern.

An der Untersuchung nahmen 110 Probanden aus Korea teil, überwiegend Beschäftigte im Gesundheitssektor. 32 von ihnen arbeiteten regelmäßig mehr als 52 Stunden pro Woche und leisteten somit häufig Überstunden. Die übrigen Teilnehmer (Kontrollgruppe) hatten in der Regel normale Arbeitszeiten. Für die Untersuchung wurden alle Probanden mittels Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht, um mögliche strukturelle Unterschiede im Gehirn festzustellen.

Vergrößertes Hirnvolumen durch mehr Arbeitszeit

Die Überstunden-Gruppe wies deutliche Veränderungen in bestimmten Hirnregionen auf. Unter anderem stellten die Forscher bei den Probanden, die häufig mehr als 52 Stunden pro Woche arbeiteten, ein vergrößertes Volumen im mittleren Frontallappen fest – bei einigen von ihnen um rund 19 Prozent. Dieser Bereich im vorderen Teil des Gehirns ist von Bedeutung für zentrale kognitive Prozesse (z. B. Entscheidungen) sowie die Steuerung von Verhalten und Emotionen. Darüber hinaus zeigten sich Vergrößerungen in Hirnregionen, die mit exekutiven Funktionen in Verbindung stehen.

Das mag zunächst nach günstigen Veränderungen klingen. Schließlich gilt Hirnatrophie – also der Schwund von Hirnmasse – als problematisch, da sie zu neurologischen Ausfällen und dauerhaftem Verlust kognitiver Leistungsfähigkeit führen kann. Der Umkehrschluss bedeutet jedoch nicht automatisch, dass eine Zunahme an Hirnmasse positiv zu werten ist. So ist eine Erklärung der Studienautoren zu deuten. Lange Arbeitszeiten könnten demnach neuroadaptive Veränderungen hervorrufen, welche sich möglicherweise auf die kognitive und emotionale Gesundheit auswirken.

Die Erkenntnisse erinnern an eine Studie aus dem Jahr 2022.5 Diese zeigte anhand von Untersuchungen mit 1000 Teilnehmern, dass leichter bis mäßiger Stress eine erhöhte neuronale Aktivierung, mit der Folge eines verbesserten Arbeitsgedächtnisses bewirken. Dies zeigten die Leistungen der Probanden in Gedächtnistests. Gleichzeitig mahnten die Autoren, dass dauerhaft hoher Stress zu einer Vermehrung der weißen Hirnmasse führen und diese wiederum die wichtige graue Substanz verdrängen könne. Erfahren Sie mehr darüber hier.

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Bedeutung der Ergebnisse und Einschränkungen

Die Autoren treffen keine abschließende Aussage darüber, ob es sich bei den beobachteten Hirnveränderungen um positive Anpassungen oder schädliche Effekte handelt. Auch bleibt offen, ob die Veränderungen dauerhaft sind oder nur kurzfristig auftreten. Dennoch sind die Ergebnisse bemerkenswert: Erstmals wird gezeigt, dass sich Arbeit – konkret Überstunden und deren Umfang – messbar auf die Struktur des Gehirns auswirken kann. Die Studie wirft damit wichtige politische, arbeitsmedizinische und gesellschaftliche Fragen auf. Sie könnte einen Anstoß dafür geben, bestehende Arbeitszeitregelungen zu überdenken, mit dem Ziel, die mentale Gesundheit langfristig besser zu schützen. Klar ist aber auch: Es braucht noch deutlich mehr Forschung, um die Zusammenhänge wirklich zu verstehen.

Es ist auf einige Einschränkungen hinzuweisen. Bei der Untersuchung handelte es sich um eine Pilot- und Querschnittsstudie, die keine belastbaren Aussagen über langfristige Entwicklungen oder kausale Zusammenhänge erlaubt. Die vergleichsweise geringe Teilnehmerzahl erschwert zudem eine Verallgemeinerung der Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung. Hinzu kommt, dass die Probandinnen und Probanden überwiegend aus dem Gesundheitswesen stammten – ob sich die Beobachtungen auch auf andere Berufsgruppen übertragen lassen, bleibt daher unklar.

Gedächtnislücken durch Überarbeitung?

„Auch wenn die Studie keine kausalen Aussagen zulässt und sich auch nicht festlegt, ob die Veränderungen positiv oder negativ zu bewerten sind, halte ich die Erkenntnisse für interessant. Es ist bemerkenswert, dass eine hohe Zahl von Arbeitsstunden messbar das Gehirn verändern. Und zwar in Regionen, die an Entscheidungen und Emotionen beteiligt sind. Vielleicht können Forscher mit auf dieser Studie aufbauenden Untersuchungen beweisen, was viele Arbeitnehmer subjektiv wohl schon kennen: Je mehr Stress und Druck auf der Arbeit herrschen, desto vergesslicher und zerstreuter und ja auch dünnhäutiger wird man im Privatleben. Genauso habe ich es jedenfalls vor Jahren sehr stark erlebt. Funktionierte ich im Job noch irgendwie und jonglierte all meine To-dos und Überstunden, erlebte ich in meiner Freizeit extreme Unkonzentriertheit bis hin zu erschreckenden Gedächtnislücken. Es fühlte sich an, als seien nach der Arbeit all meine Gehirnressourcen aufgebracht. Für den restlichen Tag war nichts mehr übrig. Mit einer Auszeit und anschließenden Anpassungen ließen meine Beschwerden glücklicherweise wieder nach.“

Themen Burnout Neurologische Erkrankungen Stress

Quellen

  1. ETH Zürich: Detecting stress in the office from how people type and click. (aufgerufen am 16.5.2025) ↩︎
  2. World Health Organization. Burn-out an "occupational phenomenon": International Classification of Diseases. (aufgerufen am 16.5.2025) ↩︎ ↩︎
  3. Savic, I., Perski, A., Osika, W. (2018). MRI Shows that Exhaustion Syndrome Due to Chronic Occupational Stress is Associated with Partially Reversible Cerebral Changes. Cerebral Cortex. ↩︎
  4. Jang W., Kim S., Kim Y., et al. (2025). Overwork and changes in brain structure: a pilot study, Occupational and Environmental Medicine ↩︎
  5. Oshri, A., Cui, Z., Owens, M., et. al. (2022), Low-to-moderate level of perceived stress strengthens working memory: Testing the hormesis hypothesis through neural activation, Neuropsychologia. ↩︎ ↩︎

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