24. Juni 2025, 11:18 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Auf den ersten Blick wirkt das Kawasaki-Syndrom wie eine harmlose Kinderkrankheit mit Fieber, Hautausschlag und roten Augen. Doch genau das macht es tückisch: Wird die Erkrankung nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, kann sie ernsthafte Schäden am Herzen verursachen, besonders an den Herzkranzgefäßen, die den Herzmuskel mit Blut versorgen.
Auch wenn das Kawasaki-Syndrom insgesamt selten vorkommt, handelt es sich dennoch um die häufigste erworbene Herzerkrankung im Kindesalter. FITBOOK-Redakteur Michel Winges erklärt, worauf Eltern achten sollten – und was bei der Diagnose und Behandlung entscheidend ist.
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Übersicht
Was ist das Kawasaki-Syndrom?
Das Kawasaki-Syndrom ist eine entzündliche Gefäßerkrankung unklarer Ursache, die vor allem im frühen Kindesalter auftritt. Besonders betroffen sind dabei mittelgroße Arterien – allen voran die Herzkranzgefäße, die für die Versorgung des Herzmuskels zuständig sind.1 Die Erkrankung beginnt meist plötzlich mit hohem Fieber, das mindestens fünf Tage anhält. Begleitet wird es von Symptomen wie geröteten Augen, entzündeten Schleimhäuten, Hautausschlägen sowie Schwellungen an Händen und Füßen.
Herkunft der Bezeichnung
Das Kawasaki-Syndrom hat seinen Namen tatsächlich von einem japanischen Kinderarzt: Dr. Tomisaku Kawasaki. Er beschrieb die Krankheit erstmals im Jahr 1967 in Tokio, nachdem er bei mehreren Kindern auffällige Symptome wie Fieber, Hautausschlag und geschwollene Lymphknoten beobachtet hatte, die sich keiner bekannten Krankheit zuordnen ließen. Seine Entdeckung war zunächst umstritten. Mittlerweile jedoch gilt er als der Erste, der das nach ihm benannte Syndrom als eigenständige Erkrankung erkannte. Interessanterweise haben sich die Diagnosekriterien seit Kawasakis Erstbeschreibung kaum verändert. Besonders in Japan wird das Kawasaki-Syndrom bis heute am häufigsten diagnostiziert, aber warum das so ist, ist bislang nicht vollständig geklärt.
Wer ist betroffen?
Das Kawasaki-Syndrom tritt vorwiegend bei Kindern im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren auf. Jungen seien statistisch gesehen rund 50 Prozent häufiger betroffen als Mädchen. Es wird vermutet, dass hormonelle oder immunologische Faktoren eine Rolle spielen, auch wenn die genauen Ursachen noch nicht abschließend geklärt sind.2
In Deutschland liegt die Fallrate bei etwa fünf bis zehn Neuerkrankungen pro 100.000 Kindern unter fünf Jahren und ist damit die häufigste erworbene Herzerkrankung im Kindesalter. Säuglinge unter sechs Monaten sind seltener betroffen, zeigten jedoch häufiger atypische oder unvollständige Verläufe, die das Risiko für Komplikationen erhöhen.
Kawasaki-Syndrom bei Erwachsenen
Obwohl das Kawasaki-Syndrom hauptsächlich als sogenannte pädiatrische Erkrankung gilt, wurden in sehr seltenen Fällen auch Erwachsene diagnostiziert. Die Diagnose bei Erwachsenen gestaltet sich oft schwierig, da die Erkrankung außerhalb des Kindesalters selten in Betracht gezogen wird.3
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Die Symptome und der Krankheitsverlauf
Kawasaki beginnt oft unspektakulär und kann dennoch gefährlich werden. Die Erkrankung verläuft typischerweise in drei Phasen, wobei das Leitsymptom meist ein hohes, über mindestens fünf Tage anhaltendes Fieber ist, das nicht auf Antibiotika anspricht.4 Bei genauerem Hinsehen zeige sich ein auffälliger Symptomkomplex, der sich von gewöhnlichen Kinderkrankheiten unterscheide.
Akute Phase (vom 1. bis zum 10. Tag)
- Plötzliches, hohes Fieber
- Trockene, stark gerötete Bindehaut (ohne Eiter)
- Rissige, hochrote Lippen („Lacklippen“), Erdbeerzunge
- Schwellung und Rötung von Händen und Füßen
- Hautausschlag (meist am Rumpf)
- Einseitige, schmerzlose Halslymphknotenschwellung
Subakute Phase (beginnt ungefähr ab Tag 10)
- Abschuppung der Haut an Finger- und Zehenspitzen
- Thrombozytose (hohe Blutplättchenzahl)
- Beginn möglicher Veränderungen an den Herzkranzgefäßen (Koronaraneurysmen)
Rekonvaleszenzphase (ab der dritten Woche)
- Rückgang der Symptome
- Erschöpfung, langsame Normalisierung der Blutwerte
- Herzkomplikationen bleiben möglich
Nicht alle Kinder zeigen das vollständige Beschwerdebild. Besonders bei Säuglingen kann ein sogenanntes „inkomplettes Kawasaki-Syndrom“ vorliegen, dies ist oft schwerer zu erkennen und geht mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen einher.
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Wie erfolgt die Diagnose?
Das Kawasaki-Syndrom wird vor allem durch äußere Zeichen erkannt, weil es keinen speziellen Bluttest dafür gibt. Wichtig ist, dass das Kind mindestens fünf Tage hohes Fieber hat und dazu mindestens vier von fünf typischen Zeichen zeigt: gerötete Augen ohne Eiter, rote und eingerissene Lippen oder eine „Erdbeerzunge“, Hautausschlag, geschwollene oder gerötete Hände und Füße sowie eine geschwollene, aber schmerzlose Lymphknotenschwellung am Hals. Im Blut sind häufig erhöhte Entzündungswerte festzustellen. Besonders wichtig ist eine Untersuchung des Herzens mit Ultraschall (Echokardiografie), um früh Probleme an den Herzgefäßen zu erkennen. Besonders bei kleinen Babys sei eine genaue und kontinuierliche Beobachtung wichtig, da nicht immer alle Symptome gleichzeitig auftreten.
Wie gefährlich ist das Syndrom?
Die größte Gefahr besteht in sogenannten Koronaraneurysmen – das sind ballonartige Erweiterungen der Herzkranzgefäße, die durch eine Schwächung der Gefäßwand entstehen können. Sie entstehen, wenn die Entzündung die Gefäßwände angreift und schwächt. Ohne Behandlung entwickelt etwa ein Viertel der betroffenen Kinder Koronaraneurysmen. Das Risiko: Es kann zu Blutgerinnseln, Durchblutungsstörungen oder sogar einem Herzinfarkt kommen – selbst im Kindesalter.
Das Kawasaki-Syndrom ist zwar insgesamt eher selten, gilt jedoch als die häufigste erworbene Herzerkrankung im Kindesalter in Industrieländern. Wird das Syndrom frühzeitig erkannt und behandelt, sinkt das Risiko für Herzkomplikationen auf unter fünf Prozent.
Langfristig hängt die Prognose stark vom Zeitpunkt der Behandlung ab. In den meisten Fällen erholen sich die Kinder vollständig. In schweren Verläufen, vor allem bei großen Aneurysmen, kann jedoch eine lebenslange kardiologische Nachsorge erforderlich sein.

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Die Behandlung
Entscheidend ist, dass die Behandlung so früh wie möglich startet – am besten innerhalb der ersten zehn Tage nach Beginn der Beschwerden. Zum Einsatz kommen sogenannte Immunglobuline, die über die Vene gegeben werden. Sie helfen dem Körper, die Entzündung schneller in den Griff zu bekommen und beugen schweren Herzproblemen vor. Zusätzlich wird Acetylsalicylsäure (ASS) verabreicht – zuerst hoch dosiert gegen Fieber und Entzündung, später niedriger dosiert, um das Blut dünnflüssig zu halten. In schwierigen Fällen, wenn die Standardtherapie nicht ausreicht, können auch Kortison oder andere Medikamente notwendig sein. Wichtig ist: Das Herz muss regelmäßig per Ultraschall kontrolliert werden, um mögliche Schäden früh zu erkennen.