23. Mai 2025, 13:37 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Bei verschiedenen Erkrankungen sind die konkreten Ursachen noch nicht hinreichend geklärt. Die Forschung deckt jedoch anhand untersuchter Korrelationen immer neue potenzielle Risikofaktoren auf. Und diese Liste könnte bei z. B. Schizophrenie, Depression und einigen körperlichen Befunden womöglich um einen niedrigen Intelligenzquotienten (IQ) erweitert werden. Eine neue Meta-Analyse zeigte hier einen überraschenden Zusammenhang. FITBOOK-Autorin Laura Pomer berichtet.
Frühere Forschung zeigt, dass ein niedriger IQ tendenziell mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht in Zusammenhang steht.1 Bereits dadurch kann sich ein negativer Einfluss auf die allgemeine Gesundheit ergeben. Eine neue Untersuchung der Universität Wien hat nun betrachtet, ob ein niedriger IQ im Kindes-, Jugend- oder jungen Erwachsenenalter allein mit einem höheren Risiko für körperliche und psychische Erkrankungen im späteren Leben verbunden ist.2 Und die Ergebnisse deuten tatsächlich darauf hin.
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Übersicht
Studie zu niedrigen IQ als Risikofaktor für Erkrankungen
Das Untersuchungsmodell war eine umfassende Übersichtsarbeit mit anschließender Meta-Analyse. Vorab führten die Forscher „eine systematische Literaturrecherche durch“, heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung, „und identifizierten aus zehntausenden Dokumenten 49 relevante Studien“.3 In diesen Arbeiten wurden standardisierte IQ-Tests verwendet und gesunde Kontrollgruppen einbezogen. Insgesamt lagen Daten von 2,9 Millionen Testpersonen aus acht Ländern vor, was die Untersuchung zur bislang größten zu diesem Thema macht. Die meisten Stichproben stammten aus Großbritannien, gefolgt von den USA, Dänemark, Schweden, Israel, sowie Finnland, Neuseeland und Norwegen.
Details zum Vorgehen
Zum Einsatz kam eine sogenannte Multilevel-Multiverse-Meta-Analyse. Es handelt sich dabei um eine vergleichsweise neue und besonders umfassende Forschungsmethode. Sie ermöglicht es Wissenschaftlern, die Ergebnisse vieler Einzelstudien zusammenzufassen und zugleich systematisch zu untersuchen, wie verschiedene methodische Entscheidungen das Gesamtergebnis beeinflussen. Zudem berücksichtigt die Methode unterschiedliche Datenebenen, etwa Unterschiede zwischen Studien, Ländern oder Altersgruppen.
Für die Untersuchung war der IQ in einem frühen Lebensstadium, also im Kindes-, Jugend- oder jungen Erwachsenenalter (vor dem 21. Lebensjahr) entscheidend. So ließ sich ein umgekehrter Zusammenhang – sprich, dass bestimmte Krankheiten das intellektuelle Leistungsvermögen senken – weitgehend ausschließen. Der IQ ist ab dem Kindesalter gemeinhin recht stabil. Doch theoretisch kann er sich durch extreme Lebensereignisse wie traumatische Erfahrungen oder Hirnverletzungen verschlechtern, aber auch durch intensive Förderung steigen.
Das Durchschnittsalter bei der IQ-Erhebung lag bei 14 Jahren, die Nachbeobachtungsdauer betrug im Mittel 34,1 Jahre.
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Niedriger IQ begünstigt vor allem psychische Erkrankungen
Die Meta-Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass ein niedriger IQ in frühen Lebensphasen als eigenständiger Risikofaktor für körperliche und psychische Erkrankungen zu betrachten ist. Junge Menschen mit einem um lediglich 15 Punkte niedrigeren IQ wiesen ein etwa 22 Prozent höheres Risiko für verschiedene Erkrankungen im späteren Leben auf. Dieses Muster bestand bei unterschiedlichen Gesundheitszuständen, schreiben die Autoren, am deutlichsten jedoch im Bereich der psychischen Gesundheit. Zu den spezifischen Erkrankungen zählten dabei Schizophrenie, Depression, Angststörungen und allgemeine Persönlichkeitsstörungen, die posttraumatische Belastungsstörung, Alkohol- und Drogenabhängigkeit Substanzmissbrauch.
In weiterführenden Analysen zeigten sich Unterschiede zwischen den Ländern, die von der jeweiligen Qualität der medizinischen Versorgung abhängig waren. In Ländern mit einem höheren Standard war der Einfluss des IQ auf die Wahrscheinlichkeit von Erkrankungen geringer. Ebenso erwies sich der Bildungsstand als wesentlicher Faktor. „Das legt nahe, dass sowohl gesundheitspolitische Maßnahmen als auch Bildungsinitiativen dazu beitragen könnten, gesundheitliche Ungleichheiten zu verringern“, heißt es dazu in der Pressemitteilung.

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Mögliche Bedeutung der Studie
Es ist einschränkend anzumerken, dass die untersuchten Daten aus hoch entwickelten Ländern stammten, die meisten davon aus dem Vereinigten Königreich. Die Beobachtungen sind somit nicht ohne Weiteres übertragbar. Zudem betrug das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Stichproben 10 zu 1. Die Ergebnisse lassen sich daher nur begrenzt auf Frauen generalisieren. Da es sich außerdem um Beobachtungsstudien handelte, konnten zahlreiche potenzielle Einflussfaktoren in der Auswertung nicht berücksichtigt werden.
Dennoch liefert die Untersuchung deutliche Hinweise auf die Bedeutung des IQ in der frühen Lebensphase als signifikanter Risikofaktor für spätere physische und psychische Erkrankungen. Diese Erkenntnisse bieten umgekehrt Potenzial für die Prävention. Womöglich könnten gezielte Interventionen wie Bildungs- und Gesundheitsförderungen in Kindheit und Jugend die Krankheitsanfälligkeit reduzieren. FITBOOK wandte sich mit der Frage an die Autoren, welche konkreten Maßnahmen hier sinnvoll sein könnten. Beeinflussen vielleicht weitere sozioökonomische Variablen (z. B. Beschäftigungsstatus, Wohnumfeld) den beobachteten Zusammenhang? Eine Rückmeldung steht noch aus.