12. Juni 2025, 12:56 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Das biologische Alter – also der tatsächliche Zustand des Körpers, der häufig vom kalendarischen Alter abweicht – rückt zunehmend in den Fokus der Forschung. Bisher konnte dieser Wert nur anhand statischer genetischer Daten und allgemeiner Gesundheitsparameter abgeschätzt werden. Ein neuer Bluttest soll nun deutlich präzisere Aussagen ermöglichen. Dies könnte dabei helfen, Risikopatienten zu identifizieren und nötige Schritte einzuleiten, um ihre Gesundheit zu verbessern. Doch von vorn.
Neben der genetischen Veranlagung können verschiedene Lebensstilfaktoren das biologische Alter beeinflussen. Unter anderem bestimmte Ernährungsgewohnheiten (u. a. Intervallfasten, antioxidative Lebensmittel), ausreichende Bewegung und die Vermeidung von Stress sollen die Alterung verlangsamen können. Auf der anderen Seite sollen Bewegungsmangel, Rauchen und Alkoholkonsum sowie die Exposition gegenüber UV-Strahlung und ähnlichen Umwelteinflüssen sie beschleunigen. Um nun dieses biologische Alter zu messen, wird bislang die epigenetische Uhr herangezogen.1 Die Methode basiert auf der Analyse von DNA-Methylierungsmustern – also chemischen Veränderungen an der Erbsubstanz, die im Laufe des Lebens auftreten – und zielt auf die allgemeine Lebenserwartung ab. Eine neue „Uhr“ soll noch deutlich genauere Informationen darüber liefern, wie alt jemand wirklich ist – auf Basis eines einfachen Bluttests.2
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Übersicht
Bluttest zur Bestimmung, wie alt eine Person wirklich ist
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2015 das Konzept der „intrinsischen Kapazität“ (IC, für „intrinsic capacity“) eingeführt, erklären die Studienautoren. Damit sind alle körperlichen und geistigen Fähigkeiten eines Menschen gemeint, auf die er in jeder Lebensphase zurückgreifen kann. Dazu zählen die kognitive Leistung, die Fähigkeit zur Bewegung, das psychische Wohlbefinden, das Seh- und Hörvermögen sowie die Vitalität. Die IC erreicht gemeinhin im jungen Erwachsenenalter ihren Höhepunkt und nimmt in der Lebensmitte allmählich ab. Das Konzept unterscheidet sich von der früheren Methode zur Bestimmung des biologischen Alters dadurch, dass es direkt mit der körperlich-geistigen Funktionalität des Menschen verknüpft ist. Es beruht nicht allein auf der molekularen Alterung.
Ein Forscherteam um Seniorautor David Furman hat nun eine neue Methode entwickelt, um die IC mithilfe eines einfachen Bluttests zu messen: die sogenannte „IC-Uhr“. Sie ist als „skalierbares, erschwingliches Instrument zur Bewertung des Funktionsverlustes auf molekularer Ebene“ gedacht, so Furman in einer Pressemitteilung.3
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Ablauf der Forschung
Die Forscher verwendeten Daten von 1014 Teilnehmern im Alter von 20 bis 102 Jahren aus der INSPIRE-T-Kohorte, einer groß angelegten Studie zum Thema gesunde Alterung.4 Somit lagen ihnen umfassende Informationen zu den oben erwähnten Fähigkeiten der Frauen und Männer vor. Sie erfassten weiterhin verschiedene objektive Gesundheitsparameter wie die Lungenfunktion, die Gehgeschwindigkeit und die Knochendichte der Probanden sowie deren Selbstwahrnehmung der eigenen Gesundheit. Mithilfe von Blut- und Speicheltests sammelten die Forscher zuletzt Daten zu den Methylierungsmustern in der DNA der Probanden. Nun glichen sie die Werte mit den zuvor bestimmten Gesundheitsparametern ab.
5,5 mehr Lebensjahre bei gutem Testergebnis
Bei der Auswertung zeigte sich, dass ein hoher DNAm-IC (für „DNA-Methylierungs-Intrinsische-Kapazität“) mit einem deutlich besseren Gesundheitszustand einhergeht. Bei entsprechenden Probanden war die Lungenfunktion besser, sie konnten sich schneller bewegen und verfügten über eine höhere Knochenmineraldichte. Auch schätzten sie selbst ihre eigene Gesundheit als besser ein. Ein höherer DNAm-IC war mit einer um durchschnittlich 5,5 Jahre höheren Lebenserwartung verbunden als ein niedriger DNAm-IC.
Interessant: Wie die Forscher in der Studiendokumentation festhalten, waren unter den Probanden mit einem höheren DNAm-IC solche, die viel Fisch verzehrten. Sie wiesen einen höheren Gehalt an „Omega-3-Fettsäuren marinen Ursprungs” im Blut auf. Diese Beobachtung deckt sich mit den Ergebnissen einer jüngeren randomisierten Studie, schreiben die Forscher, die ebenfalls einen positiven Einfluss von Omega-3-Supplementen auf das biologische Alter belegte.5

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Mögliche Bedeutung
Furmans Team geht davon aus, dass die von ihnen entwickelte IC-Uhr dabei helfen könnte, Risikopersonen schneller zu identifizieren. „Wir hoffen, dass die IC-Uhr die FDA in die Lage versetzen wird, Behandlungen zu genehmigen, die die Gesundheit und Funktion älterer Menschen verbessern würden“, so David Furman.
Bis es jedoch tatsächlich einen Bluttest gibt, der das tatsächliche Alter einer Person bestimmen kann, dürfte noch einige Zeit vergehen. Zunächst treten Furman und sein Team mit der IC-Uhr beim internationalen Forschungswettbewerb „Healthspan“ an. Hier präsentieren verschiedene Wissenschaftler mögliche Therapieansätze, mit denen sich die Muskelkraft, die kognitive Leistungsfähigkeit und die Immunfunktion von Menschen im Alter von 50 bis 80 Jahren innerhalb eines Jahres um mindestens zehn Jahre verbessern lassen sollen. Das Preisgeld in Höhe von 101 Millionen Dollar könnte der Entwicklung eines entsprechenden Bluttests zugutekommen.