16. September 2024, 15:27 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Das Risiko für Demenz nimmt mit zunehmendem Alter zu, jedoch belegt eine Vielzahl von Studien, dass neben dem Alter auch bestimmte Lebensstilfaktoren die Erkrankung begünstigen können. Zum Beispiel können die Ernährung und auch der Alkoholkonsum eine Rolle dabei spielen. Neueste Untersuchungen zeigen, welche Menge an Alkohol bereits das Demenz-Risiko erhöhen kann.
Darüber, dass ein hohes Maß an Alkoholkonsum schädlich ist, sind sich die Wissenschaftler einig. Nicht aber, was die Wirkung von einem mäßigen bis geringen Konsum angeht – hier scheiden sich die Geister. Einige Studien liefern Hinweise dafür, dass z. B. ein gelegentliches Glas Wein gesundheitsfördernd sein und das Demenz-Risiko aufgrund der enthaltenen Flavonoide senken kann (FITBOOK berichtete). Neue Untersuchungen zeigen aber, dass das nicht immer der Fall sein muss – geringe Mengen Alkohol können das Demenz-Risiko im Gegenteil durchaus erhöhen.
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Übersicht
Daten von über 300.000 Teilnehmern
Als Basis für die Untersuchungen dienten Daten von 500.000 Teilnehmern, die aus der UK-Biobank stammen.1 Alle Probanden wurden zwischen 2006 und 2010 aus 22 Untersuchungszentren im Vereinigten Königreich rekrutiert und gaben soziodemografische, klinische, genetische sowie den Lebensstil betreffende Daten an. Anhand eines detaillierten Fragebogens gaben sie außerdem Auskunft über ihren Alkoholkonsum. So selektierte man nur die Personen, die regelmäßig Alkohol konsumierten und noch nicht an Demenz erkrankt waren, wodurch sich eine Studienkohorte von insgesamt 313.958 Teilnehmern ergab.
Messung des Alkoholkonsums
Der Fragebogen diente zur Ermittlung des wöchentlichen bzw. monatlichen Trinkverhaltens verschiedener alkoholischer Getränke mit unterschiedlicher Gewichtung:
- Ein Glas Wein: 1,5 Einheiten/Woche
- Ein Glas Champagner mit Wein: 1,5 Einheiten/Woche
- Ein Glas Bier: 2,8 Einheiten/Woche
- Ein kleines Glas Spirituosen: 1 Einheit/Woche
- Ein kleines Glas Likör: 1 Einheit/Woche
Anhand dessen ermittelte man einen wöchentlichen Gesamtkonsum. Wenn nur monatliche Angaben getroffen worden sind, teilte man die Gesamtzahl durch 4,3, um ein repräsentatives wöchentliches Trinkverhalten zu berechnen.
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Entwicklung von Demenz
Bis 2021 beobachtete man die Teilnehmer nach und analysierte, ob man Demenzdiagnosen feststellte. Darauf aufbauend beurteilten die Forscher anhand eines bewährten statistischen Analyseverfahrens die Beziehung zwischen dem Risikofaktor (Alkohol) und dem Gesundheitsergebnis (Demenz).
Bei einer weiteren Analyse sahen sich die Wissenschaftler zusätzlich die genetischen Daten der Teilnehmer genauer an – genauer gesagt: das Vorhandensein bestimmter Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs). Diese werden mit einem Hang zum Alkoholkonsum in Verbindung gebracht. Auch diese Werte setzte man in Relation zum Auftreten von Demenz.
Geringe Mengen Alkohol können das Risiko für Demenz erhöhen
Das durchschnittliche Trinkverhalten der über 300.000 Studienteilnehmern lag bei 13,6 Einheiten pro Woche. Zur Einordnung: Im Vereinigten Königreich liegt der empfohlene Grenzwert bei 14 Einheiten/Woche, somit fällt der Durchschnitt nur knapp darunter. Entgegen der bisherigen Annahme, dass ein geringer Alkoholkonsum keinen Einfluss auf das Demenz-Risiko nimmt, stellte das Forscherteam fest: Bei beiden Analysen besteht ein linearer Zusammenhang zwischen dem Konsum von Alkohol und dem Demenz-Risiko. Das bedeutet, dass auch geringe Mengen bereits Einfluss auf das Risiko für die neurodegenerative Erkrankung nehmen können.
Die Forscher führen ihre Ergebnisse, die sich von der bisherigen Annahme abheben, dass geringe Mengen Alkohol vor Demenz schützen können, darauf zurück, dass vorangegangene Studien auch in Abstinenz lebende Menschen miteinbeziehen – es ist von der sogenannten „Abstinenzler-Verzerrung“ die Rede. Denn zu den Menschen, die keinen Alkohol konsumieren, können unter anderem Personen mit einer Langzeiterkrankung zählen. Und auch der unterschiedliche Lebensstil kann zu einer Verfälschung beitragen. „Mäßige Trinker könnten die Grundsätze der Mäßigung auch in anderen Lebensbereichen anwenden und ein gesünderes Leben führen als andere, während eine Abstinenz auf einen Rückzug aus Freizeitaktivitäten hindeuten könnte, die nicht zur Vorbeugung eines kognitiven Verfalls beitragen“, schreiben die Studienautoren.
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Einordnung der Studie
Da sich die vorliegende Studie nur auf Personen mit einem geringen bis häufigen Trinkverhalten fokussierte und somit das Risiko einer möglichen Ergebnisverfälschung durch die „Abstinenzler-Verzerrung“ umgeht, liefert diese durchaus plausible Hinweise, dass auch geringe Mengen Alkohol das Demenz-Risiko erhöhen können.
Dennoch weisen die Analysen Schwächen auf, die man in Bezug auf die Glaubwürdigkeit näher betrachten sollte. Zum einen basiert die Studie auf den subjektiven Angaben zum Trinkverhalten der Teilnehmer und können deshalb verfälscht sein. Zum anderen beziehen sich die Untersuchungen nur auf Einwohner des Vereinigten Königreichs, weshalb die Ergebnisse nicht auf andere ethnische Gruppen zutreffen müssen.