Gesundheitsbewusste haben es sich längst von Schwangeren abgeguckt und trinken „ohne Not“ alkoholfreies Bier. Grund sind (vermutlich neben dem Geschmack) die angeblich wertvollen Inhaltsstoffe. Nun gehen deutsche und österreichische Wissenschaftler noch einige Schritte weiter: Sie attestieren alkoholfreiem Bier eine schlankmachende, entzündungshemmende UND krebsvorbeugende Wirkung. Klingt ja fast zu schön, um wahr zu sein …
Mitarbeiter der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen-Nürnberg haben auf der Website ihrer Forschungsanstalt Ergebnisse einer gemeinsamen Studie mit der Universität Wien veröffentlicht. Die Wissenschaftler hatten zwei vermeintlich wertvolle Inhaltsstoffe, die in Kombination nur in Bier vorkommen sollen, genauer untersucht: Xanthohumol und Iso-Alphasäuren. Im Netz wird gerade reichlich optimistisch interpretiert, was Studienautor Prof. Dr. Claus Hellerbrand von der FAU so zusammenfasst: „Gerade zur Behandlung oder Prävention von Leberschädigung durch Fettleibigkeit scheinen Xanthohumol und Iso-Alphasäuren sehr vielversprechend.“
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Bier gegen Gewichtszunahme und Krebs?!
Ihre Annahme stützen die Forscher auf die Erkenntnis, dass Xanthohumol (kommt in Hopfen vor) einer möglichen Begleiterscheinung von starkem Übergewicht entgegenwirken könne: Leberverfettung. Verschiedene Medien, beispielsweise „Wise.life“, schreiben jetzt, dass der Stoff eine Gewichtszunahme bremsen und darüber hinaus Leberkrebszellen abtöten könne. Auch der zweite untersuchte Inhaltsstoff, Iso-Alphasäuren, soll Leberschäden verhindern und sich positiv auf den Fett- und Zuckerstoffwechsel auswirken können.
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Bier war lange Zeit als Dickmacher verrufen. Inzwischen gilt ein bewusster Genuss als relativ unbedenklich (normales Bier kommt auf etwa 43, alkoholfreies auf etwa 25 Kalorien à 100 Milliliter) – eine ansonsten bewusste Ernährung vorausgesetzt. Dass nun aber das exakte Gegenteil der Fall sein soll, also das Biertrinken beim Schlankbleiben helfen UND Leberkrebs vorbeugen soll – das überrascht dann doch. Dennoch: Die Uni-Wissenschaftler erhielten für ihre Untersuchung den Forschungspreis der „European Foundation for Alcohol Research“ und der „European Brewery Convention“ (richtig, das ist auf Deutsch die „Europäische Brauerei-Vereinigung…) im Wert von 60.000 Euro. Wir fragten einen unabhängigen Fachmann, was er davon hält.

Das sagt der Experte
Ernährungswissenschaftler Uwe Knop ist auf die Untersuchung von Studien spezialisiert, in denen die Auswirkungen der Ernährung auf den Körper aufgezeigt werden sollen. Dass alkoholfreies Bier schlank macht und vor Krebs schützen soll – „das ist natürlich frei erfundener Nonsens“, sagt der Experte im Gespräch mit FITBOOK. Gleichzeitig nimmt er die Studienleiter in Schutz und zitiert aus dem Fazit: „‚Es ist (…) denkbar, dass durch den Konsum von alkoholfreiem Bier oder anderen hopfenhaltigen Nahrungsmitteln und Getränken (…) eine positive Wirkung zu erzielen ist‘. Die Forscher relativieren ihre Aussage klar mit dem Wort denkbar.“
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Auch die Tatsache, dass Xanthohumol und die Iso-Alphasäuren so hochgelobt werden, beurteilt Knop kritisch. Bislang sei allenfalls eine vage Grundlagenforschung verfügbar, die mit den Auswirkungen vom Biertrinken nichts zu tun hätten. Und Knop weiter: „Nur weil man im Reagenzglas mit isolierten Substanzen aus Bier positive Effekte beobachtet, bedeutet das in keiner Weise, dass der Konsum des gesamten Lebensmittels die Wirkungen im realen Leben tatsächlich zeigt.“
Fazit
Dass man mit alkoholfreiem Bier Krebszellen wegtrinken kann – das klingt nicht nur unglaublich, sondern ist es wohl auch. Und dies zu behaupten, könnte Kranken und ihren Angehörigen womöglich falsche Hoffnungen machen. Unumstritten hingegen ist, dass alkoholfreies Bier ein gutes isotonisches Getränk ist, das zu großen Teilen aus Wasser besteht (und daher den Durst löscht) und zudem wertvolle Mineralstoffe enthält, die beim Schwitzen verloren gehen. Sportler könnten also tatsächlich davon profitieren. Wenn es Ihnen darum geht oder Bier einfach nur schmeckt, dann reicht das doch schon völlig aus.