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Nachgefragt beim Sportwissenschaftler

Muss Training wirklich schmerzen, um effektiv zu sein?

Frau nach einer schmerzhaften Trainingseinheit
Wenn das Training Schmerzen bereitet hat, war es wahrscheinlich effektiv – das glauben viele. Aber stimmt das eigentlich? Foto: Getty Images
Laura Pomer
Laura Pomer

19.05.2023, 20:11 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

„No pain, no gain“ (übersetzt: ohne Schmerzen keine Zuwächse) – in dieser Überzeugung pushen sich viele Kraftsportler zur höchstmöglichen Trainingsintensität. Aber stimmt das wirklich: Muss das Training mit körperlichen Schmerzen verbunden sein, wenn es effektiv sein soll? Mit dieser Frage hat sich FITBOOK an einen Profi gewandt.

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Ohne Schmerz kein Preis – das glauben zahlreiche Sportler. Umgekehrt fürchten sie, das Training war nicht intensiv genug, wenn es nicht richtig wehgetan hat. Tatsächlich stimmt das gar nicht, versichert im Gespräch mit FITBOOK der renommierte Diplom-Sportwissenschaftler Felix Klemme. Demnach haben, ganz im Gegenteil, Schmerzen beim Training nichts zu suchen und ganz sicher nichts damit zu tun, wie effektiv es ist. Er hat auch ausführlich erklärt, warum.

Schmerzen sind selten „etwas Gutes“ – auch Muskelkater nicht

Um zu verstehen, was (unterschiedliche) Schmerzen als körperliche Reaktion bedeuten können, sollte man zunächst die drei wesentlichen Schmerztypen kennen. 

  • Zunächst gibt es den Warnschmerz. Er entstehe aus einer Überlastung heraus (z. B. bei einem Muskelkater).
  • Der Alarmschmerz sei im Alltag am häufigsten. Ein klassisches Beispiel sind etwa Zahnschmerzen, verursacht durch eine Entzündung.
  • Der Schädigungsschmerz sei verhältnismäßig selten und ein mögliches Symptom von etwa einer gerissenen Sehne oder einem Bruch.

Wirklich „etwas Gutes“ sind Schmerzen eigentlich nie. Und vor allem beim Sport sollten sie möglichst selten eine Rolle spielen, erklärt Klemme weiter. Es sei erstaunlich, wie viele Freizeitsportler vom Gegenteil überzeugt sind. Ein Muskelkater gebe ihnen das Gefühl, richtig gut trainiert zu haben. Dabei könne man natürlich mal einen haben, sollte es aber nicht unbedingt darauf anlegen – so Klemmes persönliche Meinung. Was man als Schmerzen wahrnimmt, seien schließlich Mikroverletzungen der Muskeln. Durch die kleinen Risse im beanspruchten Muskelgewebe dringt Wasser durch, was kleine Ödeme und ein Ausdehnen der Muskeln verursacht. Nötig für ein effektives Training seien derartigen Schmerzen keineswegs.

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Besser keine negativen Gefühle nutzen, um Positives zu erreichen

Klemme ist überzeugt: Entwicklungen, die auf negativen Gefühlen fußen, und hierzu gehören Schmerzen ganz sicher, können nicht gesund sein. „Emotionen machen etwas mit dem Körper“, erklärt der Experte.

Beim Sport solle man sich fordern, aber nicht überfordern. Zumal, was man verbissen angeht, sei sehr oft zum Scheitern verurteilt sei. Und dann ärgere man sich umso mehr, wenn es nicht geklappt hat. In Kampf- und Fluchtmomenten haben wir mehr Energie, was der Mensch zu seinem Vorteil nutzen kann. „Man darf aber nicht vergessen: Dabei handelt es sich um Stresssituationen! Also nicht gerade den Idealzustand.“ Häufige körperliche und sonstige empfundene Qualen bedeuten auch: Stress.

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Stresshormone – wichtig im richtigen Moment

Zu den Stresshormonen zählen Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol. Letzteres, auch als Hydrokortison bekannt, hat Einfluss auf den gesamten Stoffwechsel. Es ist von Natur aus im menschlichen Blut vorhanden und im Normalmaß sehr wichtig für den Körper. Bei Stress verstärkt sich die Produktion durch die Nebennierenrinde, was ebenfalls negativen Einfluss auf den Organismus hat. Wenn regelmäßig aufgrund von Schmerzen oder als Qual empfundenes Training viele Stresshormone ausgeschüttet werden, ist der Organismus in ständiger Alarmbereitschaft. Hält das ungesund hohe Niveau dauerhaft an, geht das zulasten der Organe, zudem ist man dauerhaft nervös und reizbar.

Aber auch aus psychologischer Sicht stellt Klemme übertriebenen Ehrgeiz oder gar Aggression als Antrieb für körperliche Betätigung infrage. Für den Sportwissenschaftler geht es beim Sport nicht um die Leistung, sondern um die Freude an der Bewegung. Der Effekt kommt automatisch.

Fazit zu no pain, no gain: Effektives Training muss nicht schmerzen, weder körperlich noch emotional. Denn Schmerzen bedeuten immer auch Stress – und dieser kann am Ende kontraproduktiv sein. Tipps dafür, wie man es besser macht, lesen Sie im Folgenden.

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1. Echten „sportlichen“ Ehrgeiz zeigen

Die letzten Minuten des Trainings oder Wettkampfes stehen an. Bedeutet: Serotoninausschüttung und ein zufriedenes Gefühl, es geschafft zu haben. Kein Grund also, an einen ungeliebten Menschen oder hässlichen Streit zu denken, um sich ans Ziel zu pushen. Der Gedanke daran, was man für seine Fitness getan hat, oder an das Siegertreppchen, sind laut Klemme Motivation genug. Er ist sicher: „Die wirklich erfolgreichen Athleten denken nicht daran, wem sie’s gerade so richtig gezeigt haben, sondern motivieren sich durch positive Bilder aus der Vergangenheit oder in der Zukunft.“

2. Motivation an der richtigen Stelle finden

Wer in dritten Trainingswoche schon ein paar Minuten länger laufen konnte oder die Jeans, die jahrelang zu eng wahr, endlich ansatzweise zubekommt, spürt und sieht die Motivation zu sportlichen Engagement am eigenen Leib. Auch die Vorfreude auf einen schönen Urlaub, in dem die Bikinifigur präsentiert werden möchte, dürfte ein besseres Zugpferd sein als die Vorstellung, jemandem eins auszuwischen.

3. Ärger direkt verarbeiten

Nach dem Büro geht’s ins Fitnessstudio, wo man die Wut über den nervigen Chef oder einen anderen Streitpartner richtig wegboxen kann. Was dabei passiert? „Man versetzt sich in das negative Gefühl zurück, das man vor einigen Stunden hatte“, weiß Klemme, „regt sich also ein weiteres, unnötiges Mal auf.“ Durch diesen künstlich wieder heraufbeschworenen Zustand der Angespanntheit wird es unmöglich, mit der ärgerlichen Situation endgültig abzuschließen. Das kann niemand wirklich wollen. Besser: direkt aufregen, Dampf ablassen, abschließen und nicht mehr über den Idioten nachdenken. Auch fürs Karma.

Hinweis: Dieser Artikel erschien in einer ersten Fassung im Dezember 2020.

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