
2. Juni 2025, 16:24 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Schulsport war mir ein Graus, mein Lehrer eher Drill-Sergant als Motivator. Entsprechend schlecht sind meine Erinnerungen an diesen Unterricht. Lange Zeit dachte ich daher, dass ich unsportlich sei. Ein Irrtum! Heute liebe ich Bewegung und Training. Wie ich es bis dahin geschafft habe …
„Nina, was machen wir hier das letzte halbe Jahr?“ Mein Sportlehrer, Herr Rose, war wieder mal einem Tobsuchtsanfall ziemlich verdächtig nah. Warum ich mich auch heute noch – ungefähr 20 Jahre nach meinem Abitur – an den Namen meines Sportlehrers erinnere, ist recht einfach: Ich war im Schulsport eine echte Niete – und dachte daher noch viele Jahre später, dass ich von Natur aus nicht sportlich sei. Dass dies nicht stimmte, zeigt der Umstand, dass ich heute für mein Leben gerne laufe, Yogalehrerin bin und für FITBOOK regelmäßig neue Trainingsübungen und Sportarten teste. Ich bin also ein gutes Beispiel dafür, dass man die schlechten Schulsporterfahrungen überwinden kann. Dass es auch im höheren Alter noch möglich ist, sportlich zu werden, hat mir zudem Sportwissenschaftler Andreas Heumann bestätigt.
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Übersicht
Eigentlich sportlich, doch mit Schulsport kamen Frust und Angst
Ich konnte keine Bälle fangen, ich hasste Volleyball. Ich hatte wenig Koordination, kaum Kraft und Angst vor dem Geräteturnen bei den Bundesjugendspielen. In der Grundschule war es eigentlich noch ganz okay. Meine Eltern haben immer darauf geachtet, dass meine Schwester und ich Sport machen und so war ich beim Kinderturnen, bei der Leichtathletik und konnte schon mit fünf Jahren solide mit Seepferdchen-Abzeichen auf meinem Badeanzug schwimmen. Alles eigentlich im Rahmen, auch wenn ich mich im Schulsport nicht sonderlich hervorgetan habe. Ich glaube, in der Grundschule hatte ich auch noch ein zuverlässiges „Gut“. Daraus wurde eine 3 als ich aufs Gymnasium kam. Plötzlich standen Ballspiele ganz oben auf der Liste und meine beste Freundin und ich waren die Letzten, die in die Mannschaften gewählt wurden.
Dann noch mein Sportlehrer! Er war in seiner Jugend beim Bund und seitdem bekennender Fan einer Trillerpfeife war. Er schaffte es – gelinde gesagt – nicht gerade, die meisten Mädels aus unserer Klasse beim Schulsport zu motivieren. Bei zwei Grad morgens durch den Wald zu joggen oder Handstand zu lernen, obwohl man nie im Leben geturnt hatte, war nicht so unser Ding. Der Spaß war weg. Und die Sportlehrer am Gymnasium, mit ihren verwaschenen Jogginganzügen, Trillerpfeifen in der Hand und wenig Geduld, trugen nicht gerade dazu bei, dass ich mich wohler fühlte. So verfestigte sich das Bild: Ich bin halt einfach nicht sportlich.
Einmal Niete, immer Niete. Oder?
„Erfahrungen aus der Schulzeit prägen unser Selbstbild“
„Die Erfahrungen aus der Schulzeit prägen unser Selbstbild“, erklärt Personal Trainer und Sportwissenschaftler Andreas Heumann aus Berlin auf meine Nachfrage. „Wenn man mich fragt, sollte der Sportunterricht in der Schule Kindern deshalb vor allem dabei helfen, ihr größtmögliches Potenzial zu entwickeln.“
Diese Funktion hat der Schulsport bei mir – so zumindest mein subjektives Empfinden – nicht erfüllt. Und das, obwohl ich eigentlich schon mit einer soliden Sportlichkeit startete. Immerhin: Mir hat die Schule damals nicht den Spaß an allen Sportarten genommen. Laufen mochte ich schon immer, ich war als Teenager gerne mit meiner Mutter im Wald joggen, ich hatte Schwimmtraining, in dem ich recht gut war, und probierte vieles aus. Allerdings führten meine Schulsporterfahrungen dazu, dass ich mich dennoch irgendwie nie richtig sportlich fühlte.
So entdeckte ich später Freude am Sport
Erst später änderte sich etwas. Als ich Anfang 20 war, kam ein Pflegehund in mein Leben – und mit ihm immer längere Laufrunden. Am Anfang war es eher ein Thema des Zeitsparens. Ich muss morgens, mittags, abends raus, also konnte ich das doch mit ein bisschen Sport verbinden. Schließlich wusste ich, ganz ohne Sport bleibt man nicht gesund. Also sollte man wenigstens ein bisschen machen, auch ohne Spaß.
Doch irgendwann stellte ich fest: Mein Körper fühlt sich anders an. Ich war fitter, ausgeglichener, tagsüber wacher und ich konnte besser schlafen. Ziemlich schnell lief ich jeden Tag und merkte sehr zu meiner Freude, dass ich für die Runde, die ich lief, immer weniger Zeit brauchte. Ich wurde schneller!
Erfolgserlebnisse dank Sport
„An Sport erlernt man Selbstwirksamkeit“, sagt Personal Trainer Andreas Heimann, „wenn ich trainiere, kann ich mich verbessern und erreiche mein Ziel“ Ganz egal, ob das nun Ballspielen oder Springen sei.
Wahrscheinlich ist es das, was mir beim Laufen passiert ist. Erst lief ich nur 20 Minuten, dann wurden es 40 Minuten, später zehn, zwölf und15 Kilometer und der eine oder andere Halbmarathon. „Für mich ist jemand sportlich, wenn er Sport macht“, sagt Andreas Heumann, „durch Sport wird man zum Sportler, weil das Tun das Selbstbild definiert.“
So war es auch bei mir. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl: Ich bewege mich nicht, weil Sport irgendwie „dazugehört“, so nach dem Motto „soll ja ganz gut sein“ – sondern weil ich will. Weil es mir guttut. Weil ich mich besser fühle, wenn ich draußen war und weil ich sportlich bin, nicht mehr nur „die, die in Sport immer eine Drei hatte“.

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Was ich durch das Leistungsschwimmen gelernt habe
Es ist nie zu spät, sportlich zu werden
Ich möchte mich nicht beschweren. Ich hätte mir wahrscheinlich selbst keine 3 gegeben. Nicht, weil es so schlecht war, sondern weil ich später im Sportunterricht kaum noch da war. Vielleicht hätte ich auch sogar nur 6 verdient und hätte es auch gar nicht angezweifelt, denn damals wusste ich ja selbst nicht viel von meinen sportlichen Fähigkeiten. Ich will der Schule nicht die Schuld dafür geben: Ich kann durchaus verstehen, dass Ballsportarten, die ich absolut nicht mag, so häufig im Sportunterricht rankommen – eben weil sie spielerisch sind und viele gerade diese Sportarten mögen. Allein die Bewertung in der Schule ist auch nicht unbedingt das Problem ist, denke ich. Viel eher ist das Problem das Bild, das wir dabei leider von uns selbst bekommen.
Das können wir zum Glück jederzeit verbessern, oder wie Andreas Heumann sagt: „Die wichtigste Erkenntnis aus meiner Arbeit ist, dass man sich jederzeit verbessern kann. Es kamen auch schon 40-Jährige zu mir, die meinten, dass sie jetzt sportlicher sind als mit 20 – zur eigentlichen Blüte ihres Lebens.“
Wenn ich heute laufe gehe, wünsche ich mir manchmal, meine alten Sportlehrer würden mich dabei sehen. Das ist mir bisher noch nie passiert – aber vielleicht lesen sie ja diesen Artikel.