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Speiseöle

Sind Kernöle wirklich ungesünder als Olivenöl?

Verschiedene Speiseöle in Karaffen
Speiseöl ist definitiv nicht gleich Speiseöl. Und Fettsäure nicht gleich Fettsäure. Foto: Getty Images
Martin Lewicki
Freier Autor

01.10.2021, 11:36 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Wer im Supermarkt vor dem Speiseöl-Regal steht, der findet vor allem Rapsöl, Sonnenblumenöl und Maiskeimöl – alles sogenannte Kernöle. Doch sind diese pflanzlichen Öle überhaupt gesund oder sollte man lieber zu Oliven- oder Kokosöl greifen? FITBOOK hat sich die Studienlage dazu angeschaut und mit einem ausgewiesenen Ernährungsexperten gesprochen.

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Gesund oder ungesund – die Sache mit den pflanzlichen Speiseölen und -fetten ist gar nicht so einfach, da jedes Öl anders aufgebaut ist und eine unterschiedliche Zusammensetzung an Fettsäuren und Vitaminen bietet. Zudem werden Öle unterschiedlich gewonnen: einige durch eine kalte Pressung (nativ) und andere durch eine warme Pressung, manchmal auch unter Einsatz von Chemikalien (raffiniert). Das hat starken Einfluss auf die Inhaltsstoffe und die Eigenschaften des Endproduktes.

Gesund oder ungesund – jedes Speiseöl hat Stärken und Schwächen

Das Komplizierte daran: Nahezu jedes Speiseöl hat seine Vor- und Nachteile. Die raffinierten Öle lassen sich stark erhitzen (z. B. Kokosöl, Sonnenblumenöl, Rapsöl) und eignen sich dadurch besonders gut zum Braten und Backen in der Küche. Die nativen Öle (z. B. Olivenöl, Leinöl, Walnussöl) dürfen nicht hoch erhitzt werden, da sie sonst schnell anfangen zu rauchen und schädliche Substanzen entwickeln. Sie eignen insbesondere für Salate oder kalte Speisen.

Somit lässt sich die Frage nach dem gesündesten und „besten“ Speiseöl gar nicht so einfach beantworten. Wir versuchen es trotzdem anhand von Studien und den Empfehlungen des Ernährungsexperten Prof. Dr. Nicolai Worm, Diplom-Ökotrophologe und Buchautor.

Der Aufbau der Speiseöle

Grundsätzlich muss man folgendes bei den pflanzlichen Speiseölen beachten: Sie enthalten gesättigte Fettsäuren (vorwiegend in Kokos- und Palmkernöl), einfach ungesättigte Fettsäuren (vorwiegend in Oliven- und Rapsöl) sowie mehrfach ungesättigte Fettsäuren (vorwiegend in Sonnenblumenöl, Maiskeimöl, Sojaöl und Walnussöl). All diese Fettsäuren sind in allen Ölen vorhanden, aber eben in einer sehr unterschiedlichen Gewichtung.

Gesättigte Fettsäuren nicht per se ungesund

Die Wissenschaftler sind sich uneins, welche der Fettsäuren besonders gesund und welche als besonders ungesund einzustufen sind. Lange Zeit galten die gesättigten Fettsäuren, die überwiegend in tierischen Produkten wie Schmalz, Butter, Fleisch- und Wurstwaren vorkommen, als Krankmacher. Doch auch das pflanzliche Kokosöl und Kokosfett enthält viele gesättigte Fettsäuren. Einige Studien lieferten Hinweise dafür, dass die gesättigten Fettsäuren das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten erhöhen, da sie im Blut den Anteil des schlechten Cholesterins (LDL-C) steigern1. Das wiederum könne zu Atherosklerose führen.2

Auch interessant: Hohe Cholesterinwerte auf natürliche Weise senken – Tipps vom Spezialisten

Die Mehrheit der Langzeitbeobachtungsstudien findet jedoch kein erhöhtes Risiko für Herz- oder Hirninfarkt durch gesättigte Fettsäuren. Auch die kontrollierten Diätstudien, bei denen gesättigte Fettsäuren deutlich reduziert wurden, ergaben weder eine gesenkte Herz-Kreislauf- noch Gesamtsterblichkeit.3

Und so gibt es immer mehr Wissenschaftler und Studien, die den negativen Einfluss der gesättigten Fettsäuren auf das Herz-Kreislauf-System anzweifeln. Eine neue Meta-Analyse aus Dänemark kommt zu dem Schluss, dass „Vollfettmilchprodukte, unverarbeitetes Fleisch und dunkle Schokolade zwar einen hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren enthalten, aber nicht mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung stehen.“4

Empfehlungen zur Verzehrmenge von gesättigten Fettsäuren strittig

So verwundert es, dass sowohl die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) als auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfehlen, immer noch maximal zehn Prozent der täglichen Kalorien aus gesättigten Fettsäuren einzunehmen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2013 waren es in Deutschland hingegen 15 Prozent der täglichen Kalorienmenge.5

Experten raten deswegen, nicht nur die einzelnen Fettsäurearten zu betrachten und als gesund oder ungesund einzustufen. Stattdessen solle man die gesamte Nährstoffmatrix eines Produktes sowie eine ausgewogene Ernährung in den Fokus stellen.

Die Omega-3- und Omega-6-Problematik

Eine besondere Rolle spielen zwei mehrfach ungesättigte Fettsäuren, weil sie für den Körper essenziell sind. Das heißt, der Körper kann sie nicht selbst herstellen. Das sind die Alpha-Linolensäure (Omega-3-Fettsäure) und die Linolsäure (Omega-6-Fettsäure). Omega-3-Fettsäure gilt als besonders wichtig: Sie verbessert die Fließeigenschaft des Blutes, senkt den Blutdruck und wirkt entzündungshemmend. Zudem sorgt Omega 3 für eine bessere Elastizität der Zellwände und schützt die Adern.

Leider enthält die übliche Nahrung zu wenig von den Omega-3-Fettsäuren, da sie nur in wenigen pflanzlichen Ölen vorkommen – wie etwa im Leinöl. Jedoch kann der menschliche Körper das Omega 3 aus dem Leinöl relativ schlecht verwerten. Man müsste also viel davon täglich zu sich nehmen. Viel besser als Omega-3-Quellen sind deswegen fetthaltige Fischsorten wie Lachs, Hering und Makrele oder Fischöl-Kapseln.

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Worauf bei Omega-6-Fettsäure zu achten ist

Die ebenfalls wichtige Omega-6-Fettsäure ist der Gegenspieler und kommt in hohen Mengen in unserer Nahrung vor. Sie ist unter anderem für die Blutgerinnung zuständig, was zwar die Fließeigenschaft des Blutes verringert, dafür aber vor starken Blutungen schützt. Und sie spielt bei der Immunreaktion eine wichtige Rolle. Ein paar Gramm der Fettsäure würden pro Tag ausreichen. Allerdings kommt sie sowohl in vielen Speiseölen wie Sojaöl, Sonnenblumenöl, Maiskeimöl und Weizenkeimöl als auch in etlichen Fertigprodukten und Backwaren vor. Das führt dazu, dass die meisten Menschen deutlich mehr Omega-6-Fettsäuren als Omega-3-Fettsäuren zu sich nehmen.

Da beide Fettsäurearten unter Einsatz der gleichen Enzyme im Körper verwertet werden, kann es dazu führen, dass ein Überschuss von Omega 6 die Verstoffwechslung von Omega 3 blockiert. Aus diesem Blickwinkel Speiseöle wie Sonnenblumenöl also nicht gesund. Ein optimales Verhältnis der beiden Omega-Fettsäuren wäre 1:1. In Deutschland liegt das Missverhältnis aber bei etwa 10:1 oder höher zugunsten von Omega 6. Deswegen rät die DGE ein Verhältnis von etwa 5:1 anzustreben.

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Der Experten-Tipp

Prof. Dr. Worm legt vor allem Wert darauf, den Anteil von Omega-3-Fettsäuren anzuheben, da es nicht nur auf das Verhältnis ankommt, sondern auch auf die Behebung der weitverbreiteten Unterversorgung mit dieser wichtigen biologisch wirksamen Substanz. Sein Rat: „Raus mit dem Sonnenblumenöl, Maiskeimöl, Weizenkeimöl oder Sojaöl! Ich empfehle lieber natives Olivenöl, weil es im Gegensatz zu den Kernölen kaum Omega 6 enthält und damit wenigstens die wenigen Omega-3-Fettsäuren in unserer Ernährung besser verwertbar macht.“

Fazit

„Ich kenne keine wirklichen Belege dafür, dass Kernöle per se ungesund seien“, sagt unser Ernährungsexperte Dr. Nicolai Worm. Dennoch empfiehlt er hauptsächlich Olivenöl zu verwenden, da es kaum Omega-6-Fettsäuren enthält und damit hilft, das Gleichgewicht mit den eher seltenen Omega-3-Fettsäuren herzustellen. Zudem gibt es Studien, die den positiven Einfluss des Olivenöls auf die Gesundheit belegen. So kommen die Autoren einer Studie aus dem Jahr 2013 zu dem Schluss, dass der Konsum von Olivenöl, insbesondere der extra-nativen Sorte, mit einem verringerten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einer geringeren Sterblichkeit einhergeht.6 Ein klares Plus also für dieses gesunde Speiseöl.

Die besten Öle zum Braten und Backen

Besonders gut geeignet zum Braten und starken Erhitzen ist das Kokosöl und Kokosfett. Und selbst das Rapsöl ist eine gute Alternative zu Sonnenblumenöl, Maiskeimöl und Co., da es wenige Omega-6-Fettsäuren enthält. Übrigens: In Deutschland ist Rapsöl das populärste Speiseöl, gefolgt von Sonnenblumenöl und Olivenöl.

Abschließend rät auch die amerikanische Harvard T.H. Chan School of Public Health, auf die richtige Fettart zu achten. Fetter Fisch (z. B. Lachs), Avocados, Nüsse und kalt gepresstes Olivenöl enthalten nach ihrer Einschätzung die gesündesten Fette. Besonders ungesund sind hingegen raffinierte Pflanzenfette und -öle sowie versteckte Fette in Fertiggerichten und stark verarbeiteten Nahrungsmitteln.

Zur Person von Prof. Nicolai Worm:
Prof. Nicolai Worm, geb. am 17.08.1951, studierte Oecotrophologie an der TU München und promovierte an der Universität Gießen. Von 1979 bis 1985 war er am Institut für Sozialmedizin, Prävention und Rehabilitation in Tutzing/Starnber­ger See als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig und arbeitete dort schwerpunktmäßig an epidemiologischen Fragestellungen im Bereich „Nahrungsfett und Koronare Herzkrankheit“. Seit 1986 ist er selbstständig als wissenschaftlicher Berater und Dozent tätig. Unter anderem übernahm er Lehrtätigkeiten im Bereich Sporternährung (TrainerAkademie, Deutscher Sportbund, Köln; Universität Innsbruck). Er ist Urheber der LOGI-Methode. Sein neues Flexi-Carb-Konzept beschreibt die optimale Ernährung beim heutigen bewegungsarmem Lebensstil. Seit 2008 ist er Professor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHPG) in Saarbrücken.

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Quellen

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