Spätestens seitdem die EU eine Verordnung gegen Wegwerf-Produkte aus Plastik erlassen will, ist auch das Thema Mikroplastik in aller Munde. Doch wie entsteht es, wo ist es überall drin und wie können wir es vermeiden? FITBOOK hat sehr erstaunliche und beunruhigende Erkenntnisse dazu gefunden.
Plastikmüll und die damit verbundene Verschmutzung der Meere ist ein großes Problem. „Jede Sekunde landen etwa 700 Kilogramm Plastikmüll in unseren Ozeanen“, warnt EU-Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans. Zeit endlich zu handeln!
Eine geplante EU-Regelung soll zumindest Wegwerfprodukte wie Strohhalme und Plastikbesteck verbieten, denn vieles davon landet in unseren Weltmeeren. So hat die EU-Kommission errechnet, dass es etwa im Jahr 2050 mehr Plastik als Fische im Meer geben wird, wenn wir nichts unternehmen. Das Schlimme dabei: Kunststoffe zerfallen im Meer in immer kleinere Teilchen, bis daraus Mikroplastik wird, welches in unsere Nahrungskette gelangt. Doch die Gefahr an Land ist für Menschen noch größer.
Was ist Mikroplastik?
Während man zumindest große Plastikteile aussortieren und vermeiden kann, scheint das sogenannte Mikroplastik ein noch größeres Problem darzustellen. Laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) werden feste und unlösliche synthetische Polymere (Kunststoffe), die kleiner als fünf Millimeter sind, als Mikroplastik bezeichnet.
Während wir die Teilchen im Millimeter-Bereich noch mit bloßem Auge als Körner wahrnehmen können, kann Mikroplastik auch im Mikrometer-Bereich liegen. So sind einige der Teilchen, die beispielsweise im Trinkwasser nachgewiesen wurden, nur 5 Mikrometer klein (0,005 Millimeter) und damit für uns nicht mehr wahrnehmbar.
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Wie entsteht Mikroplastik?
Es gibt generell zwei Wege: Zum einen wird Mikroplastik gezielt als Grundmaterial für die Kunststoffproduktion sowie für den Einsatz in Kosmetika wie beispielsweise Peelings, Cremes und Duschgels hergestellt. Man spricht hier von primärem Mikroplastik.
Zum anderen entsteht Mikroplastik beim Zerfallsprozess durch Witterung und mechanischem Abrieb von größeren Kunststoffen. Da Plastik sich nicht komplett zersetzt, werden die Teilchen einfach immer kleiner und verbleiben dann dauerhaft beispielsweise im Meer. Hier spricht man von sekundärem Mikroplastik.
Das Umwelt Bundesamt geht davon aus, „dass Mikroorganismen nicht in der Lage sind, Kunststoffe vollständig zu zersetzen. Bis zu 450 Jahre benötigen eine Kunststoffflasche oder eine Wegwerfwindel, bis sie sich zersetzt haben.“
Wo ist Mikroplastik enthalten?
Nun kommt die richtig schlechte Nachricht: Mikroplastik ist fast überall enthalten, wo Kunststoffe vorkommen. Vor allem Meeresorganismen wie Plankton, Fische und Muscheln nehmen die kleinen Teilchen auf und können später durch den Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten auf unseren Tellern landen, das berichtet die Umweltschutzorganisation Greenpeace in einem Report von 2016.
Anfang 2018 wurde eine kleine Studie im Auftrag des NDR-Magazins „Markt“ von der Universität Oldenburg zum Thema Mikroplastik vorgestellt. Dabei fanden die Forscher in fünf verschiedenen Proben des edlen „Fleur de Sel“-Salzes, besonders viele Kunststoffpartikel. Deutlich mehr, als beispielsweise im normalen Meersalz. Das liegt vermutlich daran, dass „Fleur de Sel“ von der Wasseroberfläche per Hand abgeschöpft wird und dabei auch gleich die leichten dort schwebenden Mikroplastik-Teilchen mitgenommen werden. Dennoch halten die Verantwortlichen der Studie die im Salz gefundene Mikroplastik-Menge für gesundheitlich unbedenklich.
Ein weiteres Problem stellt das Abwasser dar, denn Kläranlagen können die oft sehr feinen Mikroplastikteilchen, die hauptsächlich aus Kosmetika stammen, nicht vollständig herausfiltern. So gelangen sie auch in Flüsse, Seen und letztendlich auch ins Meer.
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Trinkwasser und Kosmetik
Selbst das Trinkwasser, welches in Deutschland hauptsächlich aus dem Grundwasser kommt, ist belastet. Das fand der Journalistenverbund Orb Media im Jahr 2017 in einer umstrittenen Studie heraus. In 83 Prozent der 150 Trinkwasserproben, die weltweit entnommen und untersucht wurden, fand man Mikroplastik. In den USA waren es sogar 94 Prozent, während in Europa der Anteil bei 72 Prozent lag. Allerdings war die vorhandene Konzentration sehr gering, weshalb die Studie beispielsweise vom Umweltbundesamt als „skandalisierend“ beurteilt wurde. Im Durchschnitt fand man in den USA 4,8 Teilchen, in Europa nur 1,9 Teilchen pro 500 Milliliter Wasser.
In einer aktuellen Untersuchung des „Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe“ wurde Mikroplastik auch in Mineralwasser gefunden. Von den 38 untersuchten Wassersorten waren jene aus Mehrweg-Plastikflaschen besonders stark belastet. Man fand durchschnittlich 118 Mikropartikel pro Liter. Aber auch Mineralwasser aus Glasflaschen enthielt, mit etwa 50 pro Liter, teilweise größere Mengen an Mikroplastikpartikeln. In ihrem Fazit gehen die Forscher davon aus, dass „Kunststoffverpackungen ebenfalls Mikroplastikpartikel emittieren können“.
Besonders unnötig, aber leider weit verbreitet, ist der gezielte Einsatz von Mikroplastik in der Kosmetikindustrie. Speziell Peeling-Produkte nutzen kleine Kunststoffpartikel zum Reinigen, aber auch in der Gesichts- und Haarpflege, bei Duschgels, Make-up und vielen anderen Körperpflege-Produkten werden Kunststoffe verwendet. Allein deswegen lohnt sich der Wechsel zu zertifizierten Naturprodukten, die auf synthetische Inhaltsstoffe verzichten.
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Sogar Staub enthält Mikroplastik
Bis jetzt klingt es noch so, als ob Mikroplastik durch verschiedene Verhaltensweisen vermieden werden kann. Doch was oft vergessen wird, ist die Tatsache, dass Mikroplastik auch in der Luft schwebt. Denn Kleidung, Decken, Teppiche und andere Textilien enthalten feine Kunstfasern, die sich nach und nach lösen und Teil des alltäglichen Staubes werden.
Das fanden Forscher der Heriot-Watt University in Edinburgh bei ihren Untersuchungen heraus. Sie stellten Staubfallen neben Speiseteller in drei verschiedenen Haushalten auf. Nach ihren Berechnungen enthielten die Hauptmahlzeiten, die innerhalb von 20 Minuten verspeist wurden, etwa 114 Mikroplastikpartikel. Hochgerechnet aufs Jahr sind das laut den Wissenschaftlern etwa 13.731 bis 68.415 Mikroplastikteilchen, die wir allein durch den Verzehr von Hauptspeisen im Haushalt aufnehmen.
Laut dem Hauptautor der Studie, Dr. Ted Henry, ist das wesentlich mehr, als wir beispielsweise durch den Verzehr von Meeresmuscheln zu uns nehmen. Denn bei ihren Untersuchungen fanden sie im Schnitt weniger als zwei Teilchen pro Muschel.
Julian Kirby von dem internationalen Umweltschutzverband „Friends of the Earth“ sagte zu dem Studienergebnis: „Mikroplastikfasern, die sich im Hausstaub und unserer Umgebungsluft, die wir einatmen, befinden, könnten von Autoreifen, Teppichen, der Wohnungseinrichtung sowie von der Kleidung stammen.“
Textilien, Autoreifen und Lacke
Die Weltnaturschutzunion IUCN („Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen“) hat 2017 eine erschreckende Studie vorgestellt, die analysiert, wie Mikroplastik ins Meer gelangt. Dabei sind nicht Kosmetikprodukte die Hauptquelle, sondern vor allem Textilwäsche und Autoreifenabrieb. Von Kontinent zu Kontinent unterschiedlich gelangt entweder mehr Mikroplastik bei Waschvorgängen aus Industrie und Haushalten ins Abwasser oder durch den Autoreifenabrieb im Verkehr in Gewässer und letztendlich auch ins Meer. An dritter Stelle rangieren Fahrbahnmarkierungen, gefolgt von Lacken und Farben, die zur Versiegelung von Schiffsrümpfen genutzt werden. Erst an fünfter Stelle kommt das Mikroplastik aus Kosmetika.
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Ist Mikroplastik gesundheitsschädlich?
Das ist momentan die große noch offene Frage. „Wir wissen es nicht. Es gibt noch keine Untersuchungen, wie sich Mikroplastik auf den Menschen auswirkt“, sagt Nadja Ziebarth, Leiterin des Meeresschutzbüros vom BUND. Eine gewisse Entwarnung gibt sie zumindest für den Verzehr von Fisch: „Wenn wir Fisch essen, verspeisen wir den Magen nicht mit. Das heißt, wir nehmen das Mikroplastik nicht direkt auf.“ Ob allerdings Mikroplastikteilchen wie bei Fischen auch bei Menschen Magengeschwüre auslösen können, sei bisher nicht geklärt.
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Ziebarth geht davon aus, dass im besten Fall körnchengroße Partikel den Körper über den Magen-Darm-Trakt passieren und ausgeschieden werden. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schätzt das Gesundheitsrisiko für größere Partikel, die aus Kosmetika stammen als eher gering ein: „Dass sich während der Passage durch den Magen-Darm-Trakt gesundheitlich relevante Mengen an Ethylen aus den Polyethylen-Mikrokunststoffpartikeln freisetzen, ist aus Sicht des BfR unwahrscheinlich.“ Laut dem BfR sei beim Gebrauch von Kosmetika aufgrund der verwendeten Mikroplastikgröße eine Aufnahme über die gesunde und intakte Haut nicht zu erwarten.
Einlagerung in menschlichen Zellen
Anders verhält es sich mit Mikroplastik, das kleiner als fünf Mikrometer ist. Das Umweltbundesamt (UBA) arbeitet derzeit an dem großen Forschungsprojekt „Mikroplastik im Wasserkreislauf “ (MiWa), das erstmalig die Auswirkungen auf menschliche Zellkulturen untersucht. Obwohl die finalen Ergebnisse erst Ende 2019 zu erwarten sind, haben die Forscher erste beunruhigende Erkenntnisse. „Mikroplastik interagiert mit menschlichen Zellkulturen. Es lagert sich zwischen die Zellen oder sogar in ihnen selbst ein. Ob es auch diese wieder verlässt, müssen wir noch untersuchen“, sagt die verantwortliche Wissenschaftlerin Dr. Tamara Grummt. Die Größe dieser Partikel liegt unter fünf Mikrometern.
Welche Langzeiteffekte diese Zelleinlagerung hat, könne sie momentan nicht sagen. Es sei jetzt Teil der Forschung, die übrigens noch im Labor an menschlichen Zellen stattfindet. Beobachtungsstudien, ob es für Menschen schädlich ist oder nicht, gebe es laut Dr. Grummt noch nicht.
Ein weiteres Problem sind die Analyseverfahren, um so kleine Mikroplastikteilchen überhaupt nachweisen zu können, denn es existieren noch keine gängigen Standards. So arbeitet das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BABF) derzeit daran, einheitliche chemische Nachweismethoden zu entwickeln.
Es wird davon ausgegangen, dass die kleinen Plastikteilchen durch ihre Beschaffenheit wie eine Art „Magnet“ für Schadstoffe wirken. Außerdem enthalten sie selbst chemische Zusätze wie beispielsweise Weichmacher. Wenn nun Tiere oder Menschen die Mikroplastikteilchen aufnehmen, gelangen auch die anderen Schadstoffe mit in den Organismus. Doch auch hier steht die Forschung am Anfang, womit die Auswirkungen auf Menschen noch nicht geklärt sind.
Eine Entwarnung gibt es zumindest: „Die Gefahr der Übertragung von Viren und Bakterien über Mikroplastik im Trinkwasser ist durch die aufwendige Aufbereitung und Partikelentfernung nicht gegeben“, sagt Dr. Grummt.
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Wie kann man Mikroplastik vermeiden?
Zwar ist noch nicht geklärt, ob Mikroplastik für den Menschen gesundheitsschädlich ist, doch kann jeder von uns zumindest einen gewissen Einfluss darauf nehmen, wie viel davon tagtäglich direkt oder indirekt entsteht.
Es ist schwierig, Kunststoffe komplett aus dem Alltag zu verbannen, aber die immense Verweildauer von mehreren Hundert Jahren ist erschreckend. Ebenso die Tatsache, dass sie nach und nach zu Mikroplastik zerfallen, der dann in unserem Körper landen kann.
„Wir machen darauf aufmerksam, dass jeder dazu beitragen kann, dass Mikroplastik bei Gebrauchsgegenständen wie Textilien minimiert wird. Auch sollte man plastikfreie Stoffe und Verpackungen kaufen“, empfiehlt Dr. Grummt vom Umweltbundesamt.
Folgende Tipps sollten Sie beachten:
1. Verzicht auf Kosmetik mit synthetischen Kunststoffverbindungen. Denn zum einen schmiert man sich das Mikroplastik direkt auf den Körper und zum anderen landet es durch das Waschen im Abwasser und später in natürlichen Gewässern. Deswegen sollten Sie Produkte vermeiden, die laut Greenpeace folgende Kunststoffverbindungen enthalten:Acrylate Copolymer (AC), Acrylate Crosspolymer (ACS), Dimethiconol, Methicone, Polyamide (PA, Nylon), Polyacrylate (PA), Polymethyl, Methacrylate (PMMA), Polyquaternium (PQ), Polyethylene (PE), Polyethylene glycol (PEG), Polyethylene terephthalate (PET), Polypropylene (PP), Polypropylene glycol (PPG), Polystyrene (PS), Polyurethane (PUR), Siloxane, Silsesquioxane
Der BUND führt eine aktuelle Liste mit Kosmetik- und Pflegeprodukten, die auf dem deutschen Markt erhältlich sind und Mikroplastik enthalten. Mehr Infos finden Sie hier.
Es ist ratsam zu Naturkosmetik zu greifen, die mittlerweile in großen Drogerieketten günstig zu bekommen ist. Sehr hilfreich ist auch die Smartphone-App „Code Check“, mit der man Kosmetik und Lebensmittel scannen kann. Anschließend bekommt man Aufschluss über die verwendeten Inhaltsstoffe sowie deren Gesundheitsgefahren.
2. Beim Kauf von Kleidung und anderen Textilien sollte man zu Baumwollprodukten und Stoffen aus Naturfaser greifen oder zumindest darauf achten, dass sie einen sehr geringen Kunstfaseranteil haben. Denn bei jedem Waschgang gelangen Mikrokunstfasern ins Abwasser. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass sich diese Mikrofasern beim Gebrauch der Textilien lösen und wir sie dann einatmen oder mit dem Essen aufnehmen.
3. Auf Getränke aus Kunststoffflaschen verzichten und zu Glasflaschen greifen. Auch Leitungswasser enthält meistens weniger Mikroplastik als Wasser aus Mehrwegflaschen.
4. Wenn möglich auf Plastik verzichten. Letztendlich sollte man sich bei jedem Kauf fragen, ob es ein Produkt aus Kunststoff sein muss oder ob es eine umweltfreundliche Alternative gibt. Das gilt insbesondere für Wegwerfgegenstände, Verpackungen, Tüten, Flaschen, Küchenutensilien, Textilien und für Haushaltsgegenstände.