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Nach Olympia-Gold für Florian Wellbrock

Ex-Schwimmprofi über das Gefühl, 10 Kilometer zu schwimmen

10 Kilometer schwimmen
Gefangen in der Monotonie, null Eindrücke: so beschreibt Ex-Schwimmprofi Toni Embacher das Gefühl beim Langstreckenschwimmen Foto: Getty Images, Collage: FITBOOK
Anna Echtermeyer
Redakteurin

06.08.2021, 16:27 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Um einen Kilometer zu schwimmen, muss man 20 Bahnen à 50 Meter ziehen. Ein Zehntel der Distanz, auf der Olympiasieger Florian Wellbrock im Freiwasser triumphierte. Wie schwer ist es, 10 Kilometer am Stück zu schwimmen? Und wie fühlt sich das an? Ex-Schwimmprofi Toni Embacher hat es FITBOOK verraten.

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Florian Wellbrock (23) holte diese Woche die erste olympische Goldmedaille für den Deutschen Schwimm-Verband seit 13 Jahren. Über 10 Kilometer schwamm er im Freiwasser zum Sieg. Abgeschlagen der Ungar Kristof Rasovszky und der Italiener Gregorio Paltrinieri, der danach bewundernd davon sprach, Florian sei „auf einem anderen Planeten“ geschwommen.

40 Bahnen zu schwimmen, fühlt sich schon nach etwas ganz Großem an

Was der 23-jährige Bremer, der in Magdeburg trainiert, in 1:48:33,7 Stunden in das 30 Grad warme Wasser in der Bucht von Tokio kraftaktete, ist für jeden, der schon mal 20 oder 40 Bahnen im 50-Meter-Becken geschwommen ist, unvorstellbar. Die Gewissheit, EINEN GANZEN oder ZWEI Kilometer geschwommen zu sein, fühlt sich schon groß genug an. Klar, so ein Schwimmprofi-Körper tickt ganz anders – trotzdem mag es da draußen bei motivierten Hobbyschwimmer jetzt kribbeln: Wäre man, unter Mobilisierung aller zur Verfügung stehenden Kräfte, irgendwie in der Lage, 10 Kilometer zu schwimmen? Wie würde sich das anfühlen? Wie ginge man – neben der quälenden Anstrengung – mit der quälenden Monotonie um, die einen im Wasser umschließt wie eine Blase?

Die größte Distanz, die ich jemals geschwommen bin, sind 40 Bahnen im Olympiabad Berlin. Ich weiß noch, wie leblos ich nach diesen 2000 Metern unter die Kolonnaden kroch, um meinen erschöpften Körper auf dem Steinboden bis zum Badeschluss zur Ruhe zu legen. Es war irre. Ich war fix und fertig. Und seit Mittwoch und Florian Wellbrocks Olympiasieg frage ich mich, wie es sich wohl anfühlt, die fünffache Distanz zu schwimmen. Um eine Antwort darauf zu bekommen, habe ich Ex-Profischwimmer Toni Embacher aus Potsdam angerufen.

Toni Embacher war 15 Jahre selbst Leistungssportler und Mitglied der Deutschen Schwimm-Nationalmannschaft. Inzwischen trainiert er Profi- und Hobby-Triathleten bzw. Schwimmer, die sich weiterentwickeln möchten. Sein Steckenpferd war das Delfinschwimmen (übrigens die härteste Schwimmart) über 200 Meter, in dieser Disziplin wurde er mehrfach Deutscher Meister. Auch er ist zu Trainingszwecken schon 10 Kilometer geschwommen, weiß also, worauf es da ankommt und wie man das übersteht – und er kennt die akribische Trainingswirklichkeit der Magdeburger Schwimmer um Florian Wellbrock.

Woher kommt eine so enorme Grundlagenausdauer?

Toni Embacher: „So hart, wie die Trainingsgruppe in Magdeburg um Bundestrainer Bernd Berkhahn trainiert, das machen wenige auf der Welt.“ Aus dem Höhentrainingscamp in der Sierra Nevada (Spanien) in der Olympiavorbereitung seien ihm drei Wassereinheiten à zwei Stunden zu Ohren gekommen – täglich –, „plus Kraft- und Regenerationseinheit“. Auf 2000 Metern Höhe, wo der Körper nochmal ganz anders tickt, habe Wellbrock ein Programm durchgezogen, „da ziehen ganz viele im Schwimmsport den Hut“. Dass der 23-jährige Bremer Gold über die 10 Kilometer holte – für Embacher „nicht überraschend“.

Um über eine solche Distanz schnell zu schwimmen, brauche man eine „riesige Grundlagenausdauer“, so Embacher. Außerdem müsse man das Gerangel im See trainieren, zu dem es häufig komme – Zweikämpfe, bei denen einem auch mal die Brille heruntergerissen würde oder ein Ellenbogen im Gesicht lande. „Im Freiwasser muss man extrem viele Schläge einstecken“, weiß der Ex-Profi. „Florian wollte das umgehen, deshalb ist er den anderen direkt davongeschwommen.“

Direkt nach dem Start loszusprinten, bringe einen weiteren Vorteil: nämlich den, dass man an der Verpflegungsstation seine Ruhe habe. „Du hast dann Zeit, deine Nahrung aufzunehmen. Das ist extrem wichtig, denn man schwitzt unendlich und der ganze Kopf glüht.“ Der Flüssigkeitsverlust beim Schwimmen sei enorm – und übrigens in keiner Sportart höher, sagt Embacher. Nur spüre man eben nichts davon. Deshalb sei eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr auf einer 10-Kilometer-Distanz enorm wichtig. Den Schwimmern wird daher regelmäßig in Wasser gelöstes Kohlenhydratpulver gereicht.

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„Das Schwerste, was man trainieren kann“

Wellbrock war für die 10 Kilometer 1:48 Stunden im Wasser. Ex-Schwimmprofi Embacher vergleicht die damit einhergehende Belastung mit einem an Land gelaufenen Marathon in einer Zeit von zwei Stunden plus X. Eine Dimension, bei der klar ist, dass sie für Hobbysportler unerreichbar ist (den Weltrekord der Männer hält seit 2018 Eliud Kipchoge mit 2:01:39 Stunden). Aber gilt das auch rein für die Distanz? Wenn man sich für die 10 Kilometer alle Zeit der Welt ließe? So, wie ja auch viele Hobbysportler mal beim Marathon an den Start gehen? „Das ist das Schwerste, was man trainieren kann“, sagt Embacher. Und stellt einen Vergleich mit dem Ironman an, zu dem (neben 180 Kilometer Radfahren und einem Marathon) auch 3,8, Kilometer Schwimmen gehört. Letzteres sei „der härteste Part beim Training“, weiß Embacher, der Hobby-Triathleten trainiert. Die Technik im Wasser sei „sehr komplex und nur für wenige Menschen zu schaffen“.

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Wie fühlt es sich an, 10 Kilometer zu schwimmen?

Wer „sehr regelmäßig“ schwimmen gehe, dem traut Embacher 2 bis 4 Kilometer zu. Selbst (Schwimm)-Leistungssportler würden im Training nur zwischen 5 und 8 Kilometer tingeln. Ist er die 10 denn schon mal geschwommen, möchte ich wissen? „Ja“, sagt Embacher, auch schon mal 15 Kilometer. „Es fühlt sich endlos an. Man ist gefangen in der Monothonie.“

Was Embacher damit meint, ist: Ein Schwimmer hat nicht so viele Eindrücke wie bspw. ein Läufer. Das Maximum an Beschäftigung ist ein anderer Schwimmer auf der Nebenbahn, den man schlagen möchte. Im Freiwasser, bei 20 bis 30 Zentimeter Sichtweite wie in Tokio, fällt auch das weg. „Da ist man nur mit sich selbst beschäftigt.“ Auch das muss man erstmal aushalten können.

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