10. Oktober 2020, 6:33 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wie können Verbraucher mehr Durchblick bekommen, ob Fertigprodukte günstig für eine ausgewogene Ernährung sind – oder eben nicht? Nach jahrelangem Streit rückt eine Extra-Kennzeichnung dafür näher.
Im Supermarkt soll sich bald ein genauerer Blick auf viele Verpackungen der Lebensmittel lohnen – genauer gesagt auf den Nutri-Score. Nimmt man die Salamipizza mit dem gelben „C“ oder doch lieber die vegetarische mit einem hellgrünen „B“?
Soll es ein Sahnepudding mit orangenem „D“ sein? Die Farben und Buchstaben gehören zum neuen Logo Nutri-Score, das ab November auf breiter Front starten soll – das hat der Bundesrat am Freitag beschlossen. Mit der Ampel sollen Kunden Dickmacher, aber auch gesündere Fertigprodukte leichter erkennen.
Warum kommt noch ein neues Logo?
Jahrelang wurde über eine Extra-Kennzeichnung diskutiert, die bei ausgewogener Ernährung und dem Kampf gegen Übergewicht helfen soll. Ewig kreiste der Streit um eine aus Großbritannien stammende „Ampel“ mit jeweils separaten Symbolen in rot, gelb oder grün für Zucker, Fett und Salz. Ebenso lange wehrte die Lebensmittelbranche diesen ab. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) ließ 2019 vier Kennzeichnungs-Modelle per Umfrage testen. Der Sieger: Nutri-Score. Dabei geht es um eine Ergänzung der auf dem EU-Markt verpflichtenden Nährwerttabellen mit Angaben auch zu Kalorien. Die sind allerdings meist klein gedruckt hinten auf der Packung zu finden. Der Nutri-Score auf den Verpackungen der Lebensmittel soll aber direkt ins Auge fallen – nämlich immer auf der Vorderseite.
Wie funktioniert Nutri-Score auf Lebensmittel-Verpackungen?
Das in Frankreich entwickelte System bedeutet so viel wie „Nährwert-Punktzahl“ und bezieht neben Zucker, Fett und Salz auch empfehlenswerte Elemente wie Ballaststoffe, Eiweiß oder Anteile an Obst und Gemüse ein. Für die Mengen pro 100 Gramm werden jeweils Punkte vergeben. Dann werden von der Summe der „negativen“ Punkte die „positiven“ Punkte abgezogen. Heraus kommt am Ende ein einziger Gesamtwert, der in einer fünfstufigen Skala abgebildet wird: von „A“ auf dunkelgrünem Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes „C“ bis zum roten „E“ für die ungünstigste. Das zutreffende Feld wird hervorgehoben. Bei Getränken ist das „A“ nur für Wasser reserviert.
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Was soll der Nutri-Score bringen?
Klöckner betont, der Lebensmittel-Nutri-Score biete „die beste Orientierung am Supermarktregal“. Für genauere Angaben auch zu einzelnen Zutaten gebe es ja weiter die Nährwerttabellen. Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, verweist auf Untersuchungen, „dass Nutri-Score von Verbrauchern am besten verstanden wird, und die Ampelfarben dabei helfen, gesündere Produkte auszuwählen“. Das Logo müsse aber flächendeckend auf allen Produkten zu finden sein. Dann könnten Verbraucher Lebensmittel innerhalb einer Produktkategorie wie Joghurts vergleichen und die für sie bessere Alternative auswählen.
Was sagen Hersteller und Handel zum Nutri-Score?
Der Lebensmittelhandel begrüßt die baldige Rechtssicherheit zum Nutri-Score. „Wir gehen davon aus, dass Nutri-Score in den kommenden Wochen und Monaten vermehrt auf Eigenmarken der Handelsunternehmen zu finden sein wird“, sagt Verbands-Hauptgeschäftsführer Franz-Martin Rausch. Reservierter ist der Lebensmittelverband als Spitzenorganisation der Hersteller. „Wenn der Nutri-Score erfolgreich sein soll, sind noch einige Nachbesserungen erforderlich“, sagt Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff. Pflanzenöle, Kräutertee und Vollkornprodukte gehörten zu einer ausgewogenen Ernährung, seien aber im System nicht ausreichend berücksichtigt. Wahrscheinlich würden das Logo in Deutschland jedoch mehr Anbieter als anderswo in Europa nutzen, auch als Werbeinstrument.
Wie schnell kann Nutri-Score jetzt starten?
Der Bundesrat soll eine Verordnung besiegeln, die den Rahmen für eine Nutzung auf freiwilliger Basis schafft. Angepeiltes Inkrafttreten: Anfang November. Dann ist Nutri-Score rechtssicher zu verwenden. Grünes Licht auf EU-Ebene gibt es schon. Dabei startet das Logo nicht bei null. Es ist schon seit einiger Zeit in deutschen Supermärkten zu sehen. Die Verbraucherzentrale Hamburg fand es im Frühjahr auf rund 1000 Produkten – etwa Spinat, Fisch und Pizzen aus dem Tiefkühlregal, Joghurts und anderen Milchprodukten. Mehrere Lebensmittelhersteller haben eine Einführung angekündigt, wenn der Rechtsrahmen da ist.
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Wie geht es weiter?
Klöckner formuliert die „klare Erwartung an die Unternehmen, dass sie die Kennzeichnung nutzen“. Um das neue Logo bekannter zu machen, plant das Ministerium auch eine Informationskampagne. Dabei sollen Firmen nicht nur herauspicken, was sowieso eine „grüne“ Bilanz hat. Die Regeln sehen dazu vor: Will ein Hersteller Nutri-Score für seine Lebensmittel nutzen, muss er binnen zwei Jahren alle Produkte der registrierten Marke damit kennzeichnen. Sind dies mehr als 2000 Produkte, müssen es 80 Prozent sein und nach drei Jahren alle. Klöckner macht sich in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft dafür stark, Nutri-Score als EU-weit verpflichtendes Logo voranzubringen. Auch die EU-Kommission hat das auf der Agenda. Freiwillig nutzen es schon Frankreich und Belgien.