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Es startete mit einem Protest

Indischer Mönch hält seit 50 Jahren den Arm hoch – warum er ihn nicht mehr senken kann 

Sadhu Amar Bharati hält seit 50 Jahren den Arm hoch. Wie ist so etwas möglich?
Der Mönch Sadhu Amar Bharati hält seit 50 Jahren den Arm hoch. Wie ist so etwas möglich? Foto: Getty Images
Martin Lewicki
Freier Autor

21.03.2023, 16:18 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Es klingt unglaublich, ist aber tatsächlich wahr: Ein Mönch hält seinen Arm seit 50 Jahren hoch. Wie ist so etwas möglich? Warum macht er das? Und könnte das jeder von uns schaffen? FITBOOK erklärt die Geschichte dahinter und befragt einen Mediziner dazu.

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Sadhu Amar Bharati ist kein gewöhnlicher Mann. In Indien hat er den Status eines Heiligen, denn er vollbringt etwas Unglaubliches: Seit 50 Jahren hält der Mönch seinen rechten Arm hoch. Für die meisten Menschen ist das völlig unvorstellbar, schließlich schafft man es selbst nicht mal zehn Minuten lang. Und so halten es einige sicherlich für einen Mythos oder schlichtweg für eine Lügengeschichte. Doch was Amar Bharati vollbringt, ist wahr. Wir wollten wissen, wie so etwas möglich ist und warum der Mann den Arm jetzt nicht mehr senken kann.

Warum hält der Mönch seinen Arm hoch?

Bis Anfang der 1970er-Jahre war Amar Bharati in Indien ein Mann aus der Mittelschicht. Er arbeitete bei einer Bank, hatte Frau und Kinder. Doch eine Offenbarung brachte ihn dazu, sein Leben völlig umzukrempeln. Er verließ seine Familie, gab Job und Freunde auf, um seiner religiösen Berufung zu folgen.

Amar Bharati ging in die Berge im Norden Indiens und fing an, dort als Mönch zu leben. Er wurde zu einem sogenannten Sadhu. Dieser Begriff bezeichnet im Hinduismus einen Asketen oder eine heilige Person, die alle irdischen Bindungen aufgegeben hat und dem unerschütterlichen Ziel folgt, sich mit dem Göttlichen zu verbinden. Sadhus sind dafür bekannt, eine übermenschlich hohe Disziplin und Willenskraft aufbringen zu können, was sie zu außergewöhnlichen Leistungen befähigt.

So widmete Sadhu Amar Bharati sein Leben dem hinduistischen Gott Shiva. Um seine Hingabe und Bewunderung für den Gott unter Beweis zu stellen, hat der Mönch 1973 entschieden, seinen Arm für immer hochzuhalten. Einem deutschen Filmteam sagte er: „Ich zerstöre einen Teil von mir, um mich mit Gott zu verbinden.“ In anderen Interviews fügte er hinzu, diese Aufopferung diene auch dazu, gegen Kriege und für den Weltfrieden zu protestieren.

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Wie ist so etwas möglich?

Ein Durchschnittsmensch hält es nicht mal zehn Minuten lang aus, seinen Arm hochzuhalten. Probieren Sie es am besten selbst mal aus. Wie aber schafft es Amar Bharati seit fast 50 Jahren? Offensichtlich ist hier die Motivation der Schlüssel zum Erfolg. Seine Hingabe an den Gott Shiva gibt ihm die Kraft, diese übermenschliche Aufgabe zu bewältigen. Aber auch sein Wille muss unfassbar stark sein. Doch er ist nicht der einzige Mensch, der diese mentale Stärke aufbringt. Es gibt auch andere Sadhus, die eine ähnliche Willenskraft zeigen und zum Beispiel auf einem Bein stehen oder für immer schweigen.

Er selbst sagt, dass die Schmerzen in den ersten zwei Jahren schrecklich waren, die Hand monatelang angeschwollen. Doch dann ging die Schwellung zurück und er verlor jegliches Gefühl in dieser Körperpartie. Nun ist der Arm wie ein abgestorbener Teil von seinem Körper, den er mit sich herumträgt. Mittlerweile kann er weder die Hand noch den Arm bewegen.

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Kann das jeder schaffen?

Zunächst erscheint einem die Antwort ganz einfach: „Nein, natürlich kann das nicht jeder schaffen“. Doch damit unterschätzt man die eigenen Fähigkeiten und die Willenskraft, die in uns steckt. In Indien ist die Meditationslehre ein wichtiger Teil der Kultur und vermutlich mitverantwortlich dafür, dass Mönche wie Amar Bharati ein Leben in Askese und Disziplin verbringen können. Wer zum ersten Mal versucht, eine Stunde lang im Schneidersitz zu meditieren, der wird feststellen, wie schwierig es ist, die eigenen Gedanken zu beruhigen und zu kontrollieren und wie anstrengend diese Sitzposition auf Dauer ist.

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Eine extreme Form der Meditation ist Vipassana. Bei dieser Variante verbringt man zehn Tage lang zehn Stunden pro Tag meditierend im Schneidersitz. Das sind 100 Stunden in zehn Tagen. In dieser Zeit darf man kein Wort reden, keinen Sport treiben, nicht mal lesen oder anderen Menschen in die Augen schauen. Die größte Herausforderung ist es jedoch, die unerträglichen Rückenschmerzen auszuhalten, die das bewegungslose Sitzen verursacht. Bei Vipassana lernt man seinen Schmerz zu kontrollieren und wie man ihn nahezu verschwinden lässt. Jährlich schaffen das Tausende von Menschen, die an solchen Vipassana-Seminaren teilnehmen. Es ist also nichts Übernatürliches, sondern hat was mit Willenskraft zu tun.

Demnach ist der menschliche Körper im Stande, mehr Schmerz auszuhalten, als wir es ihm zutrauen. Dabei kommt es insbesondere auf die Motivation, die mentale Stärke und den eigenen Willen an, wie der Mönch Sadhu Amar Bharati beweist. Da aber sicherlich die wenigsten Menschen ihren Arm für einen Gott opfern würden und ihn so lange hochhalten, bis er verkrüppelt, bleibt Bharati wohl eine Ausnahme.

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Das sagt ein Mediziner zum Phänomen Amar Bharati

Wie ist das jahrelange Armhalten medizinisch zu erklären? Wir fragten den Experten Dr. med. Jochen Neßler, Chefarzt und ärztlicher Direktor der LVR-Klinik für Orthopädie Viersen.

FITBOOK: Können Sie uns erklären, was mit einem Arm passiert, wenn man ihn bewegungslos jahrelang hochhält?

Dr. Jochen Neßler: „Grundsätzlich wird jedes Gelenk, das über Jahre nicht bewegt wird, mehr oder weniger steif. Wird eine Extremität in Extremhaltungen über längere Zeit gehalten, ergibt sich die zusätzliche Problematik einer möglichen Minderdurchblutung bzw. einer Schädigung der versorgenden Nerven. Das kennen viele von sich, wenn man z. B. im Schlaf den Arm ungünstig hält, dann schläft dieser ein und kann dann manchmal vorübergehend nicht bewegt werden.“

Ist das gefährlich?

Neßler: „Wird der Arm in einer solchen ungünstigen Position gehalten, wird erstens das Gelenk steif und zweitens kann es zu dauerhaften Lähmungen der Muskulatur der gesamten Extremität, insbesondere der oberen Extremität kommen. Der Nervenschaden ist dann irgendwann nicht mehr reversibel und es kommt zu starken Kontrakturen (dauerhafte Bewegungs- und Funktionseinschränkung von Gelenken, Anm. d. Red.). Im vorliegenden Fall sieht man das besonders gut an der Hand, denn neben den imposant langen Fingernägeln sieht man die Kontrakturen der Hand und der Finger.“

Kann ein Körperteil tatsächlich absterben? Der Arm wird doch noch mit Blut versorgt, richtig?

„Wäre der Arm nicht mehr durchblutet, würde er absterben und zu faulen beginnen. Von der Durchblutung ist der Arm also nicht abgeschnitten. Da aber offensichtlich ein gravierender Nervenschaden eingetreten ist, ist die oberflächliche und tiefe Sensibilität verloren gegangen und der Mann fühlt den Arm daher nicht mehr.“

Der Mönch kann weder den Arm noch die Hand bewegen. Was würde passieren, wenn man den Arm versucht, nach unten zu bewegen? Würde er brechen?

„In der Tat ist das nicht mehr rückgängig zu machen, es würde nicht nur der Arm brechen, der Arm wäre auch völlig funktionslos und gelähmt.“

Können Sie es sich erklären, wie Amar Bharati es geschafft hat, den Arm fast 50 Jahre lang hochzuhalten? Meinen Sie, dass ein übernatürlicher Wille das schafft?

„Es ist zu erkennen, dass nicht nur das Schulterhauptgelenk versteift ist, sondern auch das Schulterblatt mit dem Thorax verwachsen ist. Es braucht also definitiv keiner Muskelkraft mehr, um den Arm hochzuhalten. Bis es zu dieser Versteifung gekommen ist, war es sicherlich längere Zeit notwendig, den Arm aktiv in dieser Position zu halten. Mit meditativer Unterstützung und vielleicht Hilfsmitteleinsatz war das offensichtlich möglich.“

Dieser Artikel erschien in einer früheren Fassung am 15.11.2021.

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