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Ratgeber

Wie kann ich mich vor einer Winterdepression schützen?

Ein Mann steht an der Ostseeküste
Trüb ist nicht nur das Wetter im Winter, sondern auch die Stimmung vieler Deutscher, die unter der dunklen Jahreszeit leiden Foto: Getty Images
Martin Lewicki
Freier Autor

16.10.2018, 17:40 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Viele Deutsche fallen im Herbst oder Winter in ein Stimmungsloch. Wenn die trüben Gedanken länger als zwei Wochen anhalten, dann handelt es sich womöglich um eine Winterdepression, auch Winterblues genannt. Doch wie kommt man aus dem Tief wieder heraus? Und kann man sich davor schützen? FITBOOK hat bei einem Experten nachgefragt.

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Noch vor ein paar Jahren galten die Begriffe Winterdepression und Winterblues als schwammig. Sie wurden kritisiert, ernsthafte depressive Störungen zu verharmlosen, indem sie mit unspezifischen und Wetter bedingten Gemütsschwankungen in einen Topf geworfen wurden.

Doch Wissenschaftler haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt und den Begriff einer „saisonal bedingten Depression“ (SAD) festgelegt. Damit ist die SAD grundsätzlich eine spezielle Ausprägung der Depression. Und so kann es sich bei einer schweren Winterdepression um eine ernsthafte Erkrankung handeln. Wie bei jeder Depression liegt hier eine Stoffwechselstörung des Gehirns vor, wobei der Austausch von Botenstoffen zwischen den Nervenzellen verändert ist. Besonders stark beteiligt sind Noradrenalin und Serotonin, weshalb medikamentöse Therapien oft bei diesen Botenstoffen ansetzen.

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Lichtmangel kann eine Winterdepression auslösen

Die kurzen Tage und die niedrigere Lichtintensität als im Sommer führen bei einigen Menschen dazu, dass weniger Botenstoffe im Gehirn produziert werden. Gleichzeitig wird vermehrt das Schlafhormon Melatonin gebildet, was zu chronischer Müdigkeit führt. Zusammen mit einer genetischen Veranlagung ergibt es eine ungünstige Konstellation, die zu einer SAD führen kann.

Wie man eine saisonal bedingte Depression behandelt und ihr eventuell vorbeugen kann, haben wir im Gespräch mit Prof. Dr. Ulrich Hegerl erfahren. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und als solcher Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe sowie Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig.

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Porträtfoto von Prof. Dr. Ulrich Hegerl
Prof. Dr. Ulrich Hegerl ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und als solcher Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe sowie Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig Foto: Stefan Straube

Was sind Anzeichen einer Winterdepression?

Um von einer Depression zu sprechen, müssen Hegerl zufolge mehrere Krankheitszeichen über mindestens zwei Wochen vorliegen: „Dazu zählen eine gedrückte Stimmung, Interessen- und Freudlosigkeit, ein permanentes Erschöpfungsgefühl, die Neigung zu Schuldgefühlen und das Gefühl der Ausweglosigkeit.“ Von saisonal bedingter Depression – auch Winterdepression genannt – werde gesprochen, wenn sich Symptome einer depressiven Episode ausschließlich im Herbst und Winter zeigen. „Neben den klassischen Symptomen einer Depression treten bei der saisonalen Depression atypische Symptome wie Heißhunger statt Appetitverlust und vermehrter Schlaf statt Ein- und Durchschlafstörungen auf.“

Wie viele Menschen sind in Deutschland betroffen?

Hegerl: „Die sogenannte saisonal abhängige Depression ist eine im Vergleich zur typischen Depression weniger häufige Unterform der Depression. Nur etwa zehn Prozent aller Depressionen in den Herbst- und Wintermonaten entfallen darauf.“

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Woran liegt es, dass Frauen häufiger betroffen sind?

Bei Frauen stellen Ärzte etwa doppelt so häufig die Diagnose Depression wie bei Männern. Für diesen Geschlechterunterschied gibt es Hegerl zufolge verschiedene biologische und psychosoziale Erklärungen: Bei Männern sei eine Depression manchmal schwieriger zu erkennen. Frauen würden eher über ihre Ängste und Stimmungsschwankungen, sprechen, sodass die Diagnose häufiger gestellt werde. „Das erklärt aber nicht die großen Häufigkeitsunterschiede. Hier spielen auch Unterschiede in den Genen, den Hormonen und anderen biologischen Aspekten eine Rolle. Spezialfälle wie das prämenstruelle Syndrom zeigen, dass Geschlechtshormone die Stimmung beeinflussen können“, so Hegerl.

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Warum bekommen einige Menschen eine SAD und andere nicht?

Hegerl: „Ob jemand depressiv wird oder nicht, hat mit Veranlagung zu tun. Es gibt Menschen, die erleben viel Frust und bekommen nie eine echte Depression. Bei anderen fragt man sich: Wie kann dieser erfolgreiche Mensch mit einem liebevollen Partner bitte depressiv sein? Die Erkrankung kann jeden treffen. Wer die Veranlagung hat, ist nie davor gefeit, in eine Depression zu rutschen.“

Hilft Licht gegen die Winterdepression?

Hegerl: „Bei Winterdepressionen kann eine Lichttherapie helfen. Wie diese genau wirkt ist bisher nicht geklärt, aber Licht kann über die Netzhaut den Biorhythmus und andere Hirnfunktionen beeinflussen. Beispielsweise wird bei Lichtmangel vom ‚Schlafhormon’ Melatonin zu viel ausgeschüttet. Eingesetzt werden von den Ärzten bei der Lichttherapie spezielle Therapielampen, die besonders stark leuchten: mit mindestens 2.500 Lux, manchmal bis zu 10.000 Lux. Zum Vergleich: Eine Bürolampe etwa hat nur 75 Lux.“

Reicht es, bei einer SAD viel draußen bei Tageslicht zu sein?

Hegerl: „Bei dieser speziellen Form der Depression ist häufig eine Lichttherapie hilfreich. Dafür benötigt man nicht unbedingt spezielle Lichtlampen, ein täglicher ausgedehnter Spaziergang im Freien ist ausreichend. Selbst an trüben Tagen entspricht der Lichteinfall draußen in etwa dem einer Therapielampe. Zusätzlicher Vorteil ist die Bewegung an der frischen Luft. Bei schweren saisonal abhängigen Depressionen reicht eine Lichttherapie allerdings in der Regel nicht aus. Zusätzlich ist dann meist eine medikamentöse sowie eventuell eine psychotherapeutische Behandlung notwendig.“

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Wie kann ich einer Winterdepression vorbeugen?

Hegerl: „Die beiden wichtigsten Bausteine bei der Behandlung einer Depression sind die medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva und die Psychotherapie. Auch für Johanniskraut-Präparate gibt es Studien, die bei leichteren Depressionen eine antidepressive Wirkung belegen konnten. Bei der saisonalen Depression kommt die Lichtertherapie hinzu.“ Ätherische Öle, Ginseng, Wechselduschen oder Saunieren haben dem Experten zufolge keine belegbare Wirkung. Eine gesunde Ernährung sei zu empfehlen, „wissenschaftlich belegte Ernährungstipps bei einer SAD gibt es aber leider nicht“.

Kann Sport gegen eine Winterdepression helfen?

Hegerl: „Sport ist vermutlich etwas antidepressiv wirksam, es ist aber kein Ersatz für eine Behandlung mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie. Zudem sind die Belege für Sport widersprüchlich und die Studien mit dem methodischen Problem behaftet, dass man diese Behandlung nicht verblinden kann (Studienteilnehmer, die Sport treiben, könnten sich einen positiven Effekt einbilden – Anmerk. d. Red.).“

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Themen: Depression
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