Es ist kalt, die Luft ist trocken, Vitamin D fehlt: Der Winter scheint es dem Immunsystem schwer zu machen. Gleichzeitig schwören viele auf das „Abhärten“: Schockfrieren für die Abwehrkräfte. Kann Kälte wirklich die Widerstandskraft gegen Rotznase und Co. erhöhen? Immunexpertin Prof. Eva Peters erklärt, was die kalte Jahreszeit mit dem Immunsystem macht.
Kaum ist der Winter da, schon geht die Zahl der Atemwegsinfekte in die Höhe. Da könnte man fast meinen, unser Immunsystem sei dem Winter nicht gewachsen und schwächer als im Sommer. Eva Peters, Professorin für Psychoneuroimmunologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen in Kooperation mit der Charité Berlin, klärt auf: „Das Immunsystem funktioniert im Winter nicht schlechter, sondern anders.“ Und es kann tatsächlich durch Abhärtung trainiert werden.
„Egal ob man kalt duscht, in die Sauna geht, im Schnee badet oder auch bei kalten Temperaturen Sport treibt – all das hat den Effekt, dass unser Immunsystem flexibler wird. Auf Kälte folgt Wärme oder auf Hitze folgt Abkühlung: So lernt das System diesen Wechsel und kann besser auf beide Extreme reagieren, verschiedene Immunantworten werden angeregt“, erklärt Eva Peters.

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Sport an der kalten, frischen Luft hat weitere Vorteile: Beim Training wird beispielsweise die Zahl der Leukozyten, also der weißen Blutkörperchen, erhöht. Sie sind sowohl Teil der angeborenen als auch der erworbenen Immunabwehr. Gleichzeitig verbrennt Bewegung Fettzellen – und je idealer unser Körpergewicht ist, desto besser kann auch das Immunsystem arbeiten.
Aber: „Ein wirklich hartes Training zur Vorbereitung auf einen Wettkampf oder das Feilen an der persönlichen Bestzeit sollte man besser auf eine Zeit mit milderen Temperaturen legen. Wer sich zu sehr verausgabt, schwächt am Ende auch sein Immunsystem“, warnt Eva Peters.
Folgende Regel gilt für Sport im Winter wie auch für alle Arten der Abhärtung: Alles, was uns fordert, regt auch die Abwehr an. Alles, was uns überfordert, schwächt das Immunsystem.
Tipp: Wie der Effekt genau zustande kommt, welche Trainingsarten besonders gesund sind und ob man bei Krankheit Sport machen darf, erklärt der Fitwoch-Beitrag „Immunsystem stärken mit Sport“ der DAK-Gesundheit.
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Die Immunabwehr im Sommer
Um noch genauer zu verstehen, wie die Abhärtung funktioniert, ist es hilfreich zu wissen, welche Arten von Abwehrmechanismen es im Körper gibt.
„Es ist so, dass im Sommer vermehrt die sogenannte angeborene, unspezifische Immunantwort erfolgt: Wenn z.B. auf den Schleimhäuten ein Eindringling festgestellt wird, werden binnen weniger Minuten die Abwehrzellen aktiviert. Sie machen den Fremdkörper unschädlich, indem sie ihn z.B. fressen oder mit Wasserstoffperoxid angreifen“, so Peters. Ein standardisierter Angriff, der leider manchmal auch die „guten“ Zellen und Bakterien neben den kranken kaputt macht – was dann zum Beispiel in einem Fieberbläschen resultiert.

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Im Winter ist die Immunantwort spezifischer
Die Expertin: „Werden die Temperaturen kühler und das Licht schwächer, setzt unser Körper vermehrt auf die spezifische Immunantwort. Diese Art der Abwehr entwickelt sich ab der Geburt, lernt immer wieder hinzu. Aber sie braucht einige Tage, bis sie richtig gegen den Erreger kämpft. Zunächst wird er untersucht und genau ermittelt, wie man ihn am besten angreifen kann. Schließlich wird er ganz gezielt unschädlich gemacht.“
Das große Vorteil: Diese spezifische Immunabwehr kann Informationen zum Krankheitserreger abspeichern und beim nächsten Kontakt sofort reagieren – man kann praktisch am gleichen Erreger nicht zweimal erkranken und wird immun. Es ist daher sogar gut, wenn wir öfter krank werden. So lernen die sogenannten Gedächtniszellen immer mehr Erreger kennen.

Prinzipiell sind die beiden Immunantworten perfekt auf die Bedingungen abgestimmt, in denen wir gerade leben. Nur weil sich im Winter die Abwehr auf altbekannte Keime konzentriert, können Infektionen leichter übertragen werden, denn es gibt immer wieder neue Erreger (z.B. durch Mutationen), die unser Immunsystem dann noch nicht kennt und die im Winter schlechter abgewehrt werden können und krank machen.

Die besten Immun-Tipps
Wer möglichst fit durch die kalte Jahreszeit kommen möchte, dem helfen folgende Routinen:
- Zur Vorsorge gehen! Wer regelmäßig zu den Check-ups beim Arzt geht, der bekommt frühzeitig mit, wenn mal etwas nicht in Ordnung ist. In DIESER Übersicht der DAK-Gesundheit können Sie sich informieren, welche Vorsorge-Maßnahmen es gibt!
- Viel Bewegung (an der frischen Luft), aber nicht so viel, das man erschlagen nach Hause kommt.
- Wintersonne tanken: so viel wie möglich – hebt die Laune und den Vitamin-D-Spiegel.
- Kalte Füße beim stundenlangen (Homeoffice-)Sitzen vermeiden. Peters: „Auch hier hilft Bewegung, schon das kleine Hacke-Spitze unter dem Tisch. Außerdem Kneippkuren und dicke Socken.“
- Saisonales Obst und Gemüse essen: „Es müssen gar nicht die Südfrüchte sein. Äpfel und Kohlgemüse enthalten genau das, was unser Körper jetzt braucht!“, weiß die Expertin.
- Die beheizte Raumluft feucht halten: Trockenheit schwächt die Barrierefunktion der Atemwege und macht es Erregern leichter, sich anzusiedeln. „Übrigens: Auch der Alkohol aus den Desinfektionsmitteln kann beim Einatmen die Schleimhäute beanspruchen“, gibt Peters zu bedenken. Also besser beim Desinfizieren nicht zu tief einatmen!
- Viel Kontakt zu den Mitmenschen halten: Auch in dieser schwierigen Zeit ist das wichtig und möglich (z.B. digital).
Die Psyche nimmt direkten Einfluss auf die Gesundheit und das Immunsystem. Die Expertin: „Halten Sie auch jetzt in dieser schwierigen Zeit so viel Kontakt wie möglich mit Freunden, Verwandten und Bekannten – nicht nur über das Telefon und Chats, sondern gern auch über Video-Telefonie. Wir sind soziale Wesen und um gesund zu bleiben, brauchen wir viel Kontakt mit den Mitmenschen. Da tut es auch gut, den anderen wenigstens auf dem Bildschirm regelmäßig zu sehen.“